Worum geht es?
Das Asylgesetz (Art. 4 und Art. 66 ff.) sieht den Status S fĂŒr Personen vor, die vom Bundesrat aufgrund bestimmter Kriterien zu «SchutzbedĂŒrftigen» erklĂ€rt worden sind. Ihre Aufnahme erfolgt ohne Asylverfahren rasch und bis der Schutzbedarf entfĂ€llt. Es handelt sich um eine befristete humanitĂ€re Aufnahme von Gruppen, bei denen die FlĂŒchtlingseigenschaft nicht ĂŒberprĂŒft wird.
Erstmalige Aktivierung im MĂ€rz 2022
Erstmalig aktiviert wurde der Schutzstatus S im MĂ€rz 2022 mittels einer bundesrĂ€tlichen AllgemeinverfĂŒgung fĂŒr ukrainische GeflĂŒchtete im Zuge des Einmarsches der russischen Truppen in die Ukraine. Die Schweiz orientiert sich bei dessen Ausgestaltung an der EU-Richtlinie zum vorĂŒbergehenden Schutz. Die SFH begrĂŒsst dessen Anwendung. Gerade bei grossen Fluchtbewegungen aufgrund akuter Kriegssituationen braucht es ein angemessenes, schnelles und pragmatisches Vorgehen. Hierzu dient der Status S. Dieser ermöglicht es, den aus der Ukraine GeflĂŒchteten in der Schweiz rasch und unkompliziert Schutz und Aufnahme zu bieten. Die GĂŒltigkeit des Status S betrug ein Jahr, und wurde jedoch wie im 2022 auch im 2023 und zuletzt im September 2024 um ein weiteres Jahr bis zum MĂ€rz 2026 in Kraft belassen. Personen mit Status S haben ab sofort Zugang zum Arbeitsmarkt, Kinder können die Schule besuchen, FamilienzusammenfĂŒhrungen und Reisen sind möglich.
Weitere Informationen dazu in unserem Status S, Factsheet, Januar 2024 und in unserer Ăbersicht zum Aufenthaltsstatus.
ZeitgemÀsse Ausgestaltung
Da der Status S vor MÀrz 2022 nie angewandt worden war, ist die entsprechende Regelung seit ihrer Schaffung nicht weiterentwickelt worden. Gleichzeitig hat sich das asyl- und auslÀnderrechtliche System in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt. Um zu einer zeitgemÀssen Ausgestaltung des Status S zu gelangen, muss dieser gemÀss den gesammelten Erfahrungen weiterentwickelt werden.
DafĂŒr setzen wir uns ein
- Beim Personenkreis sĂ€mtliche SchutzbedĂŒrftigen berĂŒcksichtigen: Der Status S soll jeweils fĂŒr alle StaatsbĂŒrger*innen eines vom Krieg betroffenen Staates (unabhĂ€ngig vom Zeitpunkt der Ausreise) sowie auch fĂŒr Drittstaatsangehörige mit legalem Aufenthalts- oder Schutzstatus im betreffenden Land gelten. Zur Frage, ob Drittstaatsangehörige in ihr Heimatland zurĂŒckkehren können, braucht es eine sorgfĂ€ltige EinzelfallprĂŒfung. Dies gilt auch fĂŒr binationale Familien und DoppelbĂŒrger. VorĂŒbergehender Schutz sollte zudem jenen Drittstaatangehörigen und Staatenlosen gewĂ€hrt werden, welche sich legal, aber nicht dauerhaft in dem vom Krieg betroffenen Land aufgehalten haben und nicht in ihre HeimatlĂ€nder zurĂŒckkehren können.
- Asylverfahren jederzeit möglich: Mit dem Schutzstatus S erhalten geflĂŒchtete Menschen rasch ein Aufenthaltsrecht, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen mĂŒssen. Personen, die den Schutzstatus S erhalten, mĂŒssen jedoch bei Bedarf jederzeit auch die Möglichkeit haben, ein Asylgesuch zu stellen, wenn sie individuelle AsylgrĂŒnde haben. Diesen Zugang zum Asylverfahren rĂ€umt auch die EU-Richtlinie zum vorĂŒbergehenden Schutz explizit ein. Das Schweizer Asylgesetz sieht dies nur fĂŒr FĂ€lle vor, in denen «offensichtlich eine Verfolgung» vorliegt.
- UneingeschrĂ€nkter Zugang zu ErwerbstĂ€tigkeit und Schule: FĂŒr Personen mit Status S ist der Arbeitsmarkt zugĂ€nglich und Kinder können die Schule besuchen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll direkt und uneingeschrĂ€nkt sein. Die Bewilligungspflicht zur Aufnahme einer ErwerbstĂ€tigkeit soll mit einer einfachen Meldepflicht ersetzt werden. Ebenso zu gewĂ€hrleisten ist der umgehende Zugang zu Schulbildung fĂŒr Kinder im schulpflichtigen Alter und zu anschliessenden Angeboten zur Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung.
- Reisefreiheit: Die Reisefreiheit ist zentral fĂŒr alle GeflĂŒchteten. Reisen sollen ohne Bewilligungspflicht fĂŒr alle Personengruppen gelten, die unter den Status S fallen. Die Reisefreiheit ist dabei generell fĂŒr den Schutzstatus S zu verankern.
- Integrationsmassnahmen zur VerfĂŒgung stellen: Die GĂŒltigkeit des Status S betrĂ€gt grundsĂ€tzlich ein Jahr. SchutzbedĂŒrftige brauchen trotz des vorĂŒbergehenden Charakters des Schutzes eine Perspektive. Integrationsmassnahmen sind nicht nur aus Sicht der Betroffenen, sondern auch fĂŒr Kantone, StĂ€dte und Gemeinden unerlĂ€sslich. Der Zugang zu Integrationsmassnahmen fördert die Erwerbsintegration, ist gesamtgesellschaftlich sinnvoll und stĂ€rkt den Ressourcenerhalt der Betroffenen. SchutzbedĂŒrftige sollen Zugang zu denselben Fördermassnahmen haben wie vorlĂ€ufig Aufgenommene und anerkannte FlĂŒchtlinge. FĂŒr Personen mit Status S ist deshalb eine Integrationspauschale gemĂ€ss Integrationsagenda Schweiz zu gewĂ€hren und gesetzlich zu verankern. FĂŒr die gezielte UnterstĂŒtzung sind eine professionelle FallfĂŒhrung und PotenzialabklĂ€rungen notwendig. Neben Sprachkursen braucht es auch Zugang zu Jobcoaching, Bildungsangeboten, UnterstĂŒtzung bei Diplomanerkennungen Mentoring-Projekten und BeschĂ€ftigungsprogrammen . Um auch die Integration von Frauen zu verbessern, muss das Angebot fĂŒr die Kinderbetreuung ausgebaut werden.
- Ausbildungsmöglichkeiten: Mit dem Status S erhalten geflĂŒchtete Kinder im schulpflichtigen Alter Zugang zur Schulbildung. Jugendliche, welche in der Schweiz eine berufliche Grundbildung absolvieren, sollen diese in jedem Fall beenden können. Ein Abbruch ist nicht im Interesse der Wirtschaft und der Betroffenen. Damit dies möglich ist, ist es zentral, dass auch die familiĂ€re und die finanzielle Situation der Betroffenen unverĂ€ndert bleiben.
- GenĂŒgende Sozialhilfe: Die Höhe der Sozial fĂŒr SchutzbedĂŒrftige ist kantonal unterschiedlich und tiefer als die Sozialhilfe fĂŒr die einheimische Bevölkerung. Dies erschwert die berufliche und soziale Integration. Die SFH setzt sich dafĂŒr ein, dass fĂŒr sĂ€mtliche Schutzberechtigten in der Schweiz dieselben SozialhilfeansĂ€tze wie fĂŒr die einheimische Bevölkerung gelten.
- Vulnerable Personen besser schĂŒtzen: Im Umgang mit vulnerablen Personen braucht es Verbesserungen und Vereinheitlichungen. Dies zeigen u.a. die Erfahrungen mit unbegleiteten MinderjĂ€hrigen sowie Opfern und potenziellen Opfern von Menschenhandel und schwer traumatisierten Menschen im Ukraine-Kontext. FĂŒr diese Personen braucht es gesonderte Massnahmen.
- Rechtsschutz bei Ablehnung des Status S: Die Rolle der Rechtsberatungsstellen im Verfahren zur GewĂ€hrung des Status S ist nicht geklĂ€rt, die Praxis ist uneinheitlich. Zudem fehlt eine staatliche Finanzierung fĂŒr ausreichenden Rechtsschutz in den Kantonen. Es braucht eine klare und einheitliche Regelung.
- Gleiche Rechte: Der Status S und die vorlĂ€ufige Aufnahme sollen durch einen humanitĂ€ren Schutzstatus mit denselben Rechten wie fĂŒr anerkannte FlĂŒchtlinge ersetzt werden (siehe Positionspapier). Nur das Verfahren verlĂ€uft bei Ankunft einer grossen Anzahl GeflĂŒchteter aufgrund einer akuten Kriegssituation anders, aber es sollen dieselben Rechte gelten. U.a. aufgrund der ungleichen Ausgestaltung der Rechte stand die SFH dem Status S vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs auch kritisch gegenĂŒber.