Wer ist betroffen
Personen, die aus verschiedenen GrĂĽnden nicht in der Schweiz bleiben dĂĽrfen und in einer existentiellen Notlage sind, erhalten Nothilfe. Das betrifft in erster Linie
- Asylsuchende mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid (NEE) und einer rechtskräftigen Wegweisung. Dazu zählen auch die sogenannten Dublin-Fälle, also Personen, die bereits in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt haben;
- Asylsuchende mit einem rechtskräftigen Negativentscheid und einer rechtskräftigen Wegweisung;
- Personen, deren vorläufige Aufnahme aufgehoben wurde sowie
- Personen, die das Bleiberecht nach Ausländerrecht verloren haben.
Sicherung des Existenzminimums
Nothilfe umfasst Nahrung, Hygiene, Kleidung, Unterkunft und medizinische Grundversorgung. Meistens werden Gutscheine oder Materialien direkt abgegeben, selten wird Geld ausbezahlt.
Kantonale Unterschiede
Um Nothilfe zu erhalten, muss die betroffene Person beim Kanton beziehungsweise bei der Gemeinde einen Antrag stellen. Der Umfang sowie die Art und Weise der Nothilfe unterscheidet sich von Kanton zu Kanton teilweise stark.Die kantonalen Behörden bestimmen den Aufenthaltsort für die betroffenen Personen und weisen ihnen eine Unterkunft zu.
UnterkĂĽnfte
Diese Unterkünfte sind sehr einfach. Meistens handelt es sich um Kollektivunterkünfte, die sich an der Peripherie der Siedlungsgebiete befinden. Gemäss Nothilfeempfehlung der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren sind Familien mit schulpflichtigen Kindern jedoch möglichst so unterzubringen, dass in der Regel kein Schulwechsel vorgenommen werden muss. Auf das Wohl der Kinder muss Rücksicht genommen werden.
Kinder und Jugendliche in der Nothilfe
Jeder siebte Nothilfebezüger ist minderjährig. Die Nothilfeempfehlung der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und –direktoren regelt den Zugang zur Schule: «Art. 19 Bundesverfassung (BV) und Art. 28 Kinderrechtskonvention (KRK) regeln den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Gemäss Art. 62 Abs. 2 BV sorgen die Kantone für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Diese Bestimmung gilt ebenfalls für Kinder von Ausreisepflichtigen. Der Kanton hat den Zugang zur Schule zu ermöglichen und diesen nötigenfalls bei der Standortgemeinde durchsetzen.»
Eine lediglich interne Beschulung in Nothilfezentren ist verfassungswidrig und widerspricht den Rechten aus der Kinderrechtskonvention.
Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf angemessene Lebensbedingungen und Unterhalt (Art. 27 KRK) und auch Recht auf Spiel, Erholung, Teilnahme am kulturellen Leben (Art. 31 KRK). Es soll sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche weiterhin im gewohnten akzeptablen Umfeld leben und aufwachsen können und eine Ausbildung (Berufslehre oder eine andere Ausbildung auf Sekundarstufe II) absolvieren können.
Ausnahmen
Den besonderen Bedürfnissen von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, Familien mit Kindern und betreuungsbedürftigen Personen ist bei der Unterbringung nach Möglichkeit Rechnung zu tragen (Art. 82 Abs. 3 bis AsylG).
Ausreisepflicht
Die Gewährung von Nothilfe stoppt die Ausreisepflicht nicht. Die kantonalen Behörden können ausländerrechtliche Zwangsmassnahmen anordnen, um die Ausreisepflicht durchzusetzen.
Das Problem der regulären Illegalität
«Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.» In der gesetzlichen Grundlage für Nothilfe (BV Art. 12) ist das Recht auf Hilfe in Notlagen als Teil der Achtung der Menschenwürde in der Bundesverfassung verankert. Doch wer sich mit einem abgewiesenen Asylgesuch weiterhin in der Schweiz aufhält und in der Nothilfe landet, lebt in «regulärer Illegalität»: Einerseits erhalten Betroffene eine notdürftige Unterkunft und je nach kantonaler Regelung 8 bis 12 Franken am Tag. Andererseits können sie bei einer Ausweiskontrolle wegen illegaler Anwesenheit gebüsst oder gar inhaftiert werden – eine paradoxe Situation, umso mehr als die Betroffenen ihrer Ausreisepflicht teilweise gar nicht nachkommen können, etwa weil sie keine heimatlichen Reisepapiere erhalten können, oder weil sie Menschenrechtsverletzungen im Heimatland befürchten, die aber nicht zur Gewährung eines Schutzstatus ausgereicht haben.
DafĂĽr setzen wir uns ein
Per Ende 2022 lebten in der Schweiz 2’922 abgewiesene Asylsuchende in der Nothilfe. Die Eidgenössische Migrationskommission (EKM) hat im Dezember 2019 den Bericht Situation und Verbleib von abgewiesenen Asylsuchenden veröffentlicht. Wir unterstützen die darin enthaltenen Empfehlungen zur Verbesserung der Situation dieser Betroffenen:
- Keine Sanktion für «reguläre Illegalität»: Die illegale Anwesenheit soll nicht sanktioniert werden. Personen in der Nothilfe sollen eine Bestätigung erhalten, dass sie in der Schweiz registriert sind, damit sie bei Personenkontrollen Bussen entgehen.
- Vorläufige Aufnahme: Für Personen, die die Schweiz aus technischen oder gesundheitlichen Gründen nicht verlassen können, soll eine vorläufige Aufnahme geprüft werden.
- Zugang zu Schule und Ausbildung: Betroffene sollen Zugang zu Schule und Ausbildung haben. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollen die öffentlichen Schulen und eine Lehre absolvieren können und nicht für die Situation ihrer Eltern bestraft werden.
- Härtefallregelung: Eine individuell abgestimmte Härtefallregelung soll Personen eine Aufenthaltsberechtigung gewähren, die schon lange in der prekären Nothilfesituation leben und Betroffene aus ihrer Isolation und Perspektivlosigkeit herausführen.
- Flexible RĂĽckkehrhilfe: Die RĂĽckkehrhilfe soll flexibilisiert und generell verbessert werden.