Fluchtgründe
Zwei Tage nach dem Umsturz in Syrien hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) Asylverfahren und -entscheide syrischer Staatsangehöriger auf unbestimmte Zeit sistiert. Die SFH kritisiert den Entscheid. Sie fordert stattdessen, dass die Asylverfahren für syrische Staatsangehörige weiterhin durchgeführt werden und zumindest eine vorläufige Aufnahme erteilt wird.
Der Bürgerkrieg, der seit 2011 im Land gewütet hat, war der wichtigste Fluchtgrund für Syrer*innen. Vor dem Sturz Assads war das Land in vier verschiedene Einflusszonen unterteilt, in denen verschiedene Akteur*innen ihre Herrschaft ausgeübt haben. Die syrische Regierung hat vor dem Sturz Assads etwa 70 Prozent des Landes kontrolliert, wo sie durch repressive Strukturen und ein weit verzweigtes Netz an Geheimdiensten politische Gegner*innen, Deserteure und Wehrdienstverweigerer gnadenlos verfolgt und gefoltert hat. Im Nordosten des Landes haben die kurdisch dominierten «Syrischen Demokratischen Kräfte» geherrscht, in den sogenannten Sicherheitszonen im Norden die von der Türkei unterstützte Syrische Nationalarmee (SNA) sowie in Idlib im Nordwesten des Landes die islamistische «Hayat Tahrir ash-Sham» (HTS). Auch diese Akteure haben tatsächliche oder mutmassliche Gegner*innen verfolgt und unter Druck gesetzt.
Die HTS und andere Rebellengruppen haben am 27. November 2024 mit der Unterstützung der Türkei eine Offensive gegen die syrische Regierung gestartet und in hohem Tempo wichtigen Städte wie Aleppo, Hama und Homs eingenommen. Am Morgen des 8. Dezember 2024 ist auch die Hauptstadt Damaskus gefallen und Bashar al-Assad ist aus dem Land geflohen. Die Anführer von «Hayat Tahrir ash-Sham» geben sich gemässigt und geben an, die Institutionen des Landes respektieren und religiöse und andere Minderheiten schützen zu wollen. Wie sich die Lage tatsächlich entwickeln wird, bleibt vorerst aber unklar.
Asylgesuche in der Schweiz
Gemäss UNHCR mussten seit 2011 über 13 Millionen Menschen flüchten. Etwa 5,5 Millionen haben das Land verlassen und sind als Geflüchtete registriert. Der Grossteil lebt in den Nachbarländern Syriens, vor allem in der Türkei, im Libanon und in Jordanien, und war dort einem hohen Mass an Diskriminierung und Feindseligkeiten ausgesetzt.
Syrien war in den letzten Jahren eines der wichtigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden in der Schweiz. 2023 haben 1417 syrische Staatsangehörige ein Asylgesuch eingereicht, im Jahr 2024 waren es bis im Oktober 1149 Gesuche.
Praxis der Schweizer Behörden
Nach dem Umsturz Assads hat das SEM entschieden, die Asylverfahren und -entscheide syrischer Staatsangehöriger zu sistieren, bis die Situation neu beurteilt werden kann.
Schutzquote
In der Schweiz wird Bürgerkrieg nicht als ausreichender Grund für die Gewährung von Asyl erachtet, da keine gezielte Verfolgung vorliegt (Art. 3 AsylG). Aufgrund eines Bürgerkriegs vertriebenen Menschen wird in der Regel eine vorläufige Aufnahme (Bewilligung F) gewährt. Dies war bei einem Grossteil der Syrer*innen der Fall.
Von den zwischen Januar und Ende Oktober 2024 erledigten Asylgesuchen wurde in 44,5 Prozent der Fälle Asyl gewährt (bereinigte Asylquote ohne Nichteintretens-Entscheide (NEE) war 51,4 Prozent). Die Schutzquote, die sich aus Asylgewährungen und Vorläufigen Aufnahmen zusammensetzt, betrug 82,8% (bereinigt 95,7 Prozent).
Dafür setzen wir uns ein
Zwei Tage nach dem Umsturz in Syrien hat das SEM Asylgesuche syrischer Staatsangehöriger auf unbestimmte Zeit sistiert. Die SFH kritisiert den Entscheid und fordert, dass die Asylverfahren für syrische Staatsangehörige weiterhin durchgeführt werden und zumindest eine vorläufige Aufnahme erteilt wird.
Aus Sicht der SFH ist es zwar nachvollziehbar, dass individuelle Schutzgründe, wie politische Verfolgung, derzeit aufgrund der volatilen Lage nicht geprüft werden können. Die SFH ist jedoch der Meinung, dass die Sistierung des Verfahrens keine Lösung ist und für die betroffenen Personen mit unnötiger Unsicherheit und fehlendem Zugang zu Integrationsmassnahmen verbunden ist.