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Türkei

Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 hat sich die Menschenrechtssituation in der Türkei stark verschlechtert. Es werden immer mehr Menschen inhaftiert. Viele sehen sich gezwungen, vor der autoritären und repressiven Regierung zu fliehen. Wir setzen uns dafür ein, dass die aktuellen Entwicklungen in der Türkei bezüglich Gewalt, insbesondere auch gegenüber Frauen, von den Schweizer Behörden stärker berücksichtigt werden.

Fluchtgründe

Seit dem Putschversuch im Juli 2016 haben Beobachterinnen und Beobachter in der Türkei immer stärkere autoritäre Tendenzen der Regierung sowie insbesondere im Südosten des Landes eine ernsthafte Verschlechterung der Menschenrechte festgestellt. Der Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz sind unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht mehr garantiert. Erdogan wurde in der Präsidentschaftswahl im Mai 2023 für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Im März 2025 wurden der Bürgermeister von Istanbul und mögliche Herausforderer Erdogans bei den nächsten Präsidentschaftswahlen sowie weitere mutmassliche Oppostionelle verhaftet, was zu grossen Protesten in vielen Städten der Türkei führte. 

Personen, die der Regierung kritisch gegenüberstehen sowie Personen mit mutmasslichen Verbindungen zu Organisationen, die von der Regierung als «terroristisch» bezeichnet werden, laufen Gefahr, vom türkischen Staat verfolgt zu werden. Sicherheitskräfte foltern und misshandeln Personen, die als «Terrorverdächtige» in Haft sind. Ausserdem denunzieren Mitbürgerinnen und Mitbürger sogenannte «Staatsfeinde» bei den Behörden.

Der Austritt der Türkei aus der sogenannten Istanbul-Konvention im Juli 2021 bedeutete einen grossen Rückschlag für die Bemühungen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Förderung der Frauenrechte im Land. In der Türkei werden jährlich Hunderte von Frauen ermordet, und die Zahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt ist nach wie vor hoch. Zudem sind LGBTQI+-Personen weiterhin von Hassverbrechen betroffen.

Asylgesuche in der Schweiz

In der Schweiz zählt die Türkei seit langem zu den wichtigsten Herkunftsländern von Asylsuchenden. Im Jahr 2023 stammten 6822 Gesuche von Türkinnen und Türken, sie sind damit die zweithäufigsten Gesuchsstellenden in der Schweiz. 5675 der Gesuche im Jahr 2023 waren Primärgesuche und 1147 Sekundärgesuche (Geburten, Familiennachzug, Mehrfachgesuche). Im Jahr 2024 waren es bis im Oktober 3531 Gesuche.

Praxis der Schweizer Behörden

In einem im Herbst 2024 publizierten Koordinationsurteil hat das Bundesverwaltungsgericht folgenschwere Entscheide für Asylsuchende aus der Türkei getroffen. Das Gericht kommt zum Schluss, dass Personen, gegen die in der Türkei wegen „Präsidentenbeleidigung“ und/oder „Propaganda für eine terroristische Organisation“ strafrechtlich ermittelt wird, nicht generell eine asylrelevante Verfolgung im Heimatstaat zu befürchten hätten. Dieser Entscheid ist ein Beispiel der zunehmenden restriktiven Praxis der Schweizer Behörden gegenüber türkischen Asylsuchenden.

Mit demselben Urteil hob das Bundesverwaltungsgericht die seit 2013 geltende Praxis auf, wonach Wegweisungen in die türkischen Provinzen Hakkâri und Şırnak generell ausgeschlossen waren. Das Gericht erachtet Wegweisungen in die Türkei nicht mehr als generell unzumutbar und verfügt, dass sie im Einzelfall zu prüfen sind. Dies obwohl die Sicherheitslage in diesen Grenzregionen zum Irak weiterhin als unsicher zu beurteilen ist.

In einem Referenzurteil vom Frühjahr 2024 hatte das Gericht bereits festgestellt, dass Wegweisungen in die besonders erdbebenbetroffenen Provinzen nicht generell unzumutbar seien. Eine Prüfung habe jeweils im Einzelfall zu erfolgen. Dabei sei vulnerablen Personen, namentlich aus den Provinzen Hatay, Adiyaman, Kahramanmaras und Malaty, speziell Rechnung zu tragen.

Trotz der jedes Jahr erschreckend hohen Zahl von ermordeten Frauen gehen die Schweizer Behörden ausserdem davon aus, dass die türkischen Behörden Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt schützen können. Entsprechend werden derartige Asylgesuche häufig negativ beurteilt.

Schutzquote

Im Jahr 2024 (Stand Ende Oktober) wurden 5293 Fällen von Türkinnen und Türken entschieden: 1677 erhielten Asyl, 140 erhielten eine vorläufige Aufnahme. Die Schutzquote (Anteil der Asylgewährungen plus vorläufige Aufnahmen zum Total aller Entscheide) betrug demnach 36.2% (Zahlen nach SEM-Angaben). Die verbleibenden Asylgesuche wurden zumeist mit einem Dublin-Nichteintretensentscheid entschieden, was bedeutet, dass ein anderer Dublin-Staat für das Gesuch zuständig ist.

Dafür setzen wir uns ein

  • Schutz für von Gewalt betroffene Frauen: Die SFH beobachtet, dass die Schweizer Behörden in Fällen von häuslicher Gewalt gegen türkische Asylsuchende davon ausgeht, dass der türkische Staat den Betroffenen Schutz bietet. Aus Sicht der SFH ist der Schutz der von Gewalt betroffenen Frauen in der Türkei aber nicht genügend gewährleistet. Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei bezüglich Gewalt an Frauen müssen aus Sicht der SFH von den Schweizer Behörden stärker berücksichtigt werden.
  • Aktuelle Menschenrechtslage berücksichtigen: Die SFH hält fest, dass die Menschenrechtslage in der Türkei seit Jahren unverändert schlecht ist und die türkische Justiz massiv unter Druck steht, so dass faire und unabhängige Strafverfahren nicht gewährleistet sind.
  • Sorgfältige Einzelfallprüfung vor Wegweisungen in Grenzprovinzen: Angesichts der weiterhin als unsicher zu beurteilenden Situation in den Grenzprovinzen Hakkâri und Şırnak, sollte die Lage fortlaufend beobachtet werden. Im Rahmen der Einzelfallprüfung sind aus Sicht der SFH Vulnerabilitäten, dazu zählen z.B. unbegleitete Kinder, Frauen oder Opfer von Menschenhandel, und andere Umstände unbedingt zu berücksichtigen, welche eine Rückkehr erschweren können.

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