Der Krieg in der Ukraine dauert unvermindert an; das gesamte Land wird mit Raketen beschossen und bedroht, die Sicherheitslage bleibt äusserst instabil. Niemand kann vorhersagen, wie sich die Situation weiterentwickelt.
Trotzdem hat der Nationalrat den Entscheid des Ständerats bestätigt, den Schutzstatus für Geflüchtete aus der Ukraine empfindlich zu beschneiden. Künftig soll die Schweiz nur noch jenen Geflüchteten Schutz gewähren, die aus von Russland besetzten oder aus «mehr oder weniger intensiv» umkämpften Gebieten geflohen sind.
Zugleich soll Schutzbedürftigen Ukrainer*innen der Status S aberkannt werden, wenn sie die Schweiz für eine gewisse Zeit verlassen und/oder Rückkehrhilfe beansprucht haben. Keinen Schutz erhalten sollen auch jene Geflüchteten, welche bereits in einem anderen Dublin-Staat vorübergehende Aufnahme erhielten.
Für die SFH steht fest: Der Status S kann erst dann aufgehoben werden, wenn der Krieg in der Ukraine beendet ist, ein Friedensabkommen unterzeichnet wurde und die Sicherheit vor Ort durch unabhängige internationale Organisationen gewährleistet werden kann. Daher verurteilt die SFH den Entscheid des Nationalrats scharf, denn er verkennt nicht nur die volatile Sicherheitslage in der Ukraine und den dadurch entstehenden Schutzbedarf für Betroffene, sondern er schürt auch generell das Misstrauen gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine. Der Schutzcharakter des Status S wird mit der beschlossenen Einschränkung auf bestimmte Gebiete auf Kosten von Kriegsvertriebenen geschwächt.
Die Aufhebung des Status S muss überdies in Abstimmung mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten erfolgen. Mit dem aus unserer Sicht übereilten Entscheid torpediert das Parlament die europäische Solidarität und zwingt die Schweiz zu einem Alleingang im Umgang mit ukrainischen Geflüchteten.
Praktisch kaum umsetzbar
Aus Sicht der SFH lässt sich eine teilweise Aufhebung des Status S in der Praxis überdies gar nicht umsetzen. Angesichts der sich ständig ändernden Sicherheitslage wird es kaum möglich sein, abschliessend zu beurteilen, was unter «mehr oder weniger intensiven Kampfhandlungen» zu verstehen ist. Im Zweifelsfall sollte deshalb immer für den Status S entschieden werden.
Die Umsetzung der Motion wird die Ungleichbehandlung zwischen Neuangekommenen und Kriegsvertriebenen, die schon länger hier sind, noch verstärken. Sie führt nebst der Ungleichbehandlung von Schutzsuchenden aus der Ukraine und vorläufig Aufgenommenen aus anderen, kriegsversehrten Gebieten auch noch zu einer Ungleichbehandlung zwischen Schutzbedürftigen aus der Ukraine selbst.
Forderungen nach Aberkennung des S-Status sind überflüssig
Die Forderungen der Motion nach einer Aberkennung des Schutzstatus S bei längerer Abwesenheit, der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe oder dem Vorhandensein eines bereits erhaltenen Schutzstatus in einem anderen Dublin-Staat sind durch die geltenden Rechtsbestimmungen bereits abgedeckt. Wenn eine Person mit Status S ihren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land verlegt, erlischt der Anspruch auf vorübergehenden Schutz automatisch. Zudem kann das Staatssekretariat für Migration SEM den vorübergehenden Schutz widerrufen, wenn sich eine Person in der Praxis mehr als zwei Wochen oder gar wiederholt in der Ukraine aufgehalten hat. Die Rückkehrhilfe kann von Gesetzes wegen nur einmal bezogen werden. Natürlich kann dadurch aber nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass eine in die Ukraine zurückgekehrte Person bei veränderter Kriegslage erneut flüchten und um Schutz nachsuchen muss. Mit der Annahme der Motion durch das Parlament werden diese Personen künftig gezwungen, ein reguläres Asylgesuch zu stellen. Damit aber wird das Ziel des Status S, nämlich das Asylsystem zu entlasten, untergraben. Betroffene müssen aus Sicht der SFH dann aber zumindest eine vorläufige Aufnahme erhalten, solange der Krieg anhält und die Lage in der Ukraine derart instabil bleibt.