Urteil des BVGer schürt Zweifel an der Praxis von Rückführungen nach Kroatien

17. Januar 2022

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer), wonach ein afghanischer Asylsuchender vorerst nicht nach Kroatien zurückgeschickt werden darf, stützt die Forderung der SFH: Das SEM hat bei der Rückführung von Schutzsuchenden nach Kroatien genau hinzuschauen und im Einzelfall zu prüfen, ob ein Risiko für Grundrechtsverletzungen besteht.

Wie unter anderem SRF berichtet, hatte der Betroffene im Mai 2021 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Im Februar 2017 hatte er bereits ein Gesuch in Griechenland gestellt. Nach dessen Ablehnung hatte er sich in Bosnien aufgehalten. Von dort hatte er offenbar mehrmals versucht, nach Kroatien einzureisen. Der Mann hatte geltend gemacht, beim Versuch, die kroatische Grenze zu überqueren, von dortigen Polizisten mit Gewalt nach Bosnien zurückgetrieben worden zu sein.

Nach der Einreichung des Asylgesuchs in der Schweiz hatte das SEM im Oktober 2021 entschieden, den Mann nach Kroatien zurückzuschicken. Dagegen wehrte sich der Mann. In der Folge hiess das BVGer die erste Beschwerde des Asylsuchenden gut und der vorangegangene Entscheid des SEM wurde aufgehoben. Trotzdem entschied das SEM vergangenen Dezember erneut, den Mann wegzuweisen. In einem am Freitag veröffentlichten Urteil hat das BVGer den Entscheid nun ein weiteres Mal aufgehoben.

Das BVGer ist der Ansicht, dass die Zuständigkeit Kroatiens für das Asylgesuch nicht eindeutig ist. Ausserdem seien die von der kroatischen Polizei an der Grenze praktizierten Wegweisungen – sogenannte Pushbacks – nach wie vor nicht ausreichend geklärt. Der Beschwerdeführer habe glaubwürdig dargelegt, wie er mit Fäusten und Schlagstöcken geschlagen, gefoltert und gefangen gehalten worden sei. Unter diesen Umständen könne sich das SEM nicht auf alte Berichte stützen und zum Schluss kommen, es gäbe kein systemisches Versagen im kroatischen Asyl- und Aufnahmeverfahren.

Das Urteil bestätigt die Kritik und die Haltung der SFH. Vergangenes Jahr hatten Medien wiederholt über Pushbacks an der bosnisch-kroatischen Grenze berichtet. Die SFH hatte in der Folge von der Schweiz gefordert, genauer hinzuschauen und sich als Schengen-/Dublin-Mitglied mit Nachdruck für die Einhaltung der Menschenrechte an der EU-Aussengrenze einzusetzen. Pushbacks an der kroatischen Grenze waren in der Folge sowohl vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als auch dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) bestätigt worden. Nun hält also auch das BVGer mit seinem Urteil fest, dass es an der Grenze zu Kroatien zu Pushbacks kommt.

In einem Bericht hatte die SFH ausserdem bereits im Dezember auf die Problematik der Rückführung von psychisch Erkrankten nach Kroatien hingewiesen, da diese dort kaum Aussicht auf notwendige Behandlungen haben. Die SFH hatte deshalb gefordert, auf entsprechende Rückführungen zu verzichten. Das Urteil des BVGer zeigt nun auf, dass auch in anderen Fällen genauer hinzuschauen ist. Das Gericht hat in dem Einzelfall das SEM aufgefordert, ein medizinisches Gutachten zum (insbesondere psychischen) Gesundheitszustand des Afghanen einzuholen.

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