PrivatsphÀre von Asylsuchenden muss gewahrt werden

27. Oktober 2020

Asylsuchende sollen kĂŒnftig verpflichtet sein, ihre Smartphones und Tablets zwecks IdentitĂ€tsabklĂ€rung den Behörden auszuhĂ€ndigen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf erarbeitet. Die Schweizerische FlĂŒchtlingshilfe (SFH) lehnt die Vorlage ab. Denn der Gesetzesentwurf greift unverhĂ€ltnismĂ€ssig stark in die PrivatsphĂ€re der Schutzsuchenden ein.

Die Vorlage geht zurĂŒck auf die parlamentarische Initiative von SVP-Nationalrat Gregor Rutz, welche verlangt, dass die Schweizer Behörden in Zukunft systematisch auf Smartphones, Tablets, Laptops oder andere DatentrĂ€ger von Asylsuchenden zugreifen können, um die IdentitĂ€t und Staatsangehörigkeit der Betroffenen zu klĂ€ren. Die SFH hat das Vorhaben bereits in ihrer Vernehmlassungsantwort scharf kritisiert: Es ist rechtsstaatlich und aus Sicht des Datenschutzes höchst bedenklich.

Eine systematische Auswertung der elektronischen DatentrĂ€ger von Asylsuchenden stellt eine schwerwiegende EinschrĂ€nkung der Grundrechte der Betroffenen dar. Die gesetzliche Grundlage dafĂŒr ist unzureichend. Denn der von der SPK-N verabschiedete Entwurf sieht vor, dass zentrale Aspekte erst auf Verordnungsstufe geregelt werden sollen. Dazu gehört beispielsweise die Triage der fĂŒr die IdentitĂ€tsabklĂ€rung relevanten Daten sowie die Definition, welche Daten erhoben werden.

Auch Daten von Dritten können bearbeitet werden

Aus Sicht der SFH ist der drastische Eingriff in die PrivatsphĂ€re unverhĂ€ltnismĂ€ssig. Asylsuchende können bereits heute freiwillig Handy- und Computerdaten als Beweismittel geltend machen – etwa Fotos, die ihre Flucht dokumentieren, oder Korrespondenzen. Zudem nutzt das Staatssekretariat fĂŒr Migration (SEM) bereits jetzt niederschwelligere PrĂŒfverfahren wie etwa die öffentlich zugĂ€nglichen Social-Media-Profile, die vollauf genĂŒgen und das Recht auf PrivatsphĂ€re nicht tangieren.

Neu sieht der Gesetzesentwurf sogar die Möglichkeit der Auswertung von Personendaten von Drittpersonen vor, «wenn die Bearbeitung der Personendaten der asylsuchenden Person nicht ausreicht.» Aus Sicht der SFH geht die Auswertung der Personendaten von Drittpersonen ohne deren Einwilligung entschieden zu weit. Unklar ist zudem, wie in der Praxis sichergestellt werden soll, dass Daten von Drittpersonen tatsÀchlich nur wenn nötig ausgewertet werden, wenn solche bei der Analyse des DatentrÀgers auftauchen.

Weniger Rechte als fĂŒr StrafverdĂ€chtige

Der Gesetzesentwurf geht weit ĂŒber die restriktive Regelung der Auswertung von Handydaten im Strafrecht hinaus. Im Asylverfahren geht es nicht um potenzielle StraftĂ€ter, sondern um Schutzsuchende. Umso stossender ist, dass Asylsuchende hier schlechter gestellt sein sollen. Eine gerichtliche ÜberprĂŒfung der Auswertung elektronischer DatentrĂ€ger muss vorgesehen werden.

Die SFH beurteilt zudem die EinschĂ€tzung der SPK-N zu Kosten und Nutzen sehr kritisch. Erfahrungen aus dem Ausland haben gezeigt, dass die systematische Auswertung von elektronischen DatentrĂ€gern sehr teuer, der Nutzen jedoch relativ gering ist. Insbesondere in Deutschland wurde festgestellt, dass weniger als die HĂ€lfte der DatengerĂ€tauslesungen brauchbar waren und nur in ein bis zwei Prozent der FĂ€lle zu einem nennenswerten Nutzen fĂŒhrten. Die Erfahrungswerte des Auslandes rechtfertigen aus Sicht der SFH denn auch nicht die zum Ausdruck gebrachte optimistische Haltung der SPK-N. Vielmehr mĂŒssen sie als Warnung angesehen werden, mit welchen Risiken die EinfĂŒhrung solch weitgehender Massnahmen verbunden ist.

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