Die SFH unterstützt das Anliegen der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen», die das Parlament 2023 angenommen hat. Mit der Initiative soll die Aufenthaltssicherheit von Ausländerinnen und Ausländern gestärkt werden, indem diese im Bedarfsfall Sozialhilfe beziehen können, ohne um ihr Aufenthaltsrecht fürchten zu müssen. Aus Sicht der SFH ist der von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N) erarbeitete Gesetzesentwurf zur Umsetzung zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Dieser wurde aber im Vergleich zum ursprünglichen Initiativtext deutlich abgeschwächt. Um das anvisierte Ziel der Initiative und eine effektive Verbesserung für die Betroffenen zu erreichen, fordert die SFH in ihrer Vernehmlassungsantwort daher Anpassungen.
Mangelhafter Umsetzungsvorschlag
Nach geltendem Recht kann heute einer ausländischen Person, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden, wenn sie ihre Lage selbst verschuldet hat. Dabei besteht in der Praxis ein grosser Interpretationsspielraum, ab wann ein solches eigenes Verschulden vorliegt. Dennoch übernimmt der Umsetzungsvorschlag der SPK-N diese Rechtspraxis unverändert und ohne die Forderung der Initiative nach einer Schutzfrist von zehn Jahren zu berücksichtigen. Gemäss Initiative soll nach zehn Jahren Aufenthalt ein Ausweisentzug nur noch bei mutwillig verursachtem Sozialhilfebezug möglich sein.
Mit dem abgeschwächten Gesetzesentwurf wird die Angst der Betroffenen vor ausländerrechtlichen Konsequenzen nicht eliminiert, sondern lediglich die aktuelle Praxis im Gesetz verankert. Aus Sicht der SFH braucht es aber für den einschneidenden und folgenschweren Entscheid zum Ausweisentzug eine höhere Hürde. Sie fordert daher, den Begriff «eigenes Verschulden» im Gesetzesentwurf wie von der Initiative verlangt durch «Mutwilligkeit» zu ersetzen. Mit dem Begriff der Mutwilligkeit soll die Möglichkeit von Ausweisentzügen auf jene Fälle reduziert werden, die mit Absicht missbräuchlich Sozialhilfe beziehen.
Verschärfte Regelungen mit negativen Folgen
Auslöser für die parlamentarische Initiative «Armut ist kein Verbrechen» waren die 2019 in Kraft getretenen Verschärfungen beim Widerruf von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen wegen Sozialhilfebezugs, um Missbrauch zu bekämpfen. Diese hatten jedoch viel weitreichendere Folgen: Ausländerinnen und Ausländer stehen bei Sozialhilfebezug seither unter Generalverdacht, nicht genügend unternommen zu haben, um sich von der Sozialhilfe zu lösen. Auch Menschen, die seit Jahrzehnten in der Schweiz leben oder hier geboren sind, können so aufgrund unglücklicher Umstände wie Arbeitsplatzverlust oder Krankheit ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Viele trauen sich deshalb aus Angst vor den Konsequenzen nicht, ihren Anspruch auf Sozialhilfe geltend zu machen und leben unter dem Existenzminimum. Die parlamentarische Initiative hatte zum Ziel, solche negativen Auswirkungen zu entschärfen.
Viele Familien mit Kindern betroffen
Die Verknüpfung von Sozialhilfebezug und Aufenthaltsrecht erachtet die SFH grundsätzlich als problematisch. So haben strukturelle Faktoren wie Migrationsstatus oder Familienkonstellation einen grossen Einfluss auf die Armutsgefährdung der Betroffenen. Der Anteil von Familien mit Kindern in der Sozialhilfe ist denn auch besonders hoch.

Lionel Walter
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