Der 2018 von der UNO verabschiedete Migrationspakt will Migration weder fördern noch verhindern. Er bietet den Staaten lediglich einen Rahmen, um Fragen der globalen Migration durch internationale Kooperation gemeinsam, ganzheitlich und lösungsorientiert anzugehen und diese menschenrechtskonform, geordnet und sicher zu gestalten. Die Schweiz war an der Ausarbeitung des Pakts massgeblich beteiligt und konnte ihre nationalen Interessen wirkungsvoll einbringen. Dazu gehören die Stärkung der Menschenrechte, Massnahmen zur Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration, Förderung der Zusammenarbeit bei Rückführungen, verbesserter Grenzschutz, den Kampf gegen Menschenschmuggel und -handel sowie den Schutz besonders vulnerabler Migrant*innen. Die Ziele des Migrationspakts decken sich damit mit den Schwerpunkten der Schweizer Migrationspolitik. Dennoch steht die Schweiz bis heute abseits.
Sechs Jahre Warteschlaufe
Der Grund: National- und Ständerat setzten 2018 durch, dass das Parlament die Unterstützung des Migrationspaktes zu beschliessen habe – und nicht der Bundesrat allein. Seither befindet sich das Geschäft in der parlamentarischen Warteschlaufe. Obwohl der Pakt rechtlich unverbindlich ist, folgte Abklärung auf Abklärung zu dessen potenziellen Folgen – politisch wird bis heute ohne Belege die Angst geschürt, dass der Migrationspakt möglicherweise doch völkerrechtliche Verpflichtungen für die Schweiz zur Folge haben und ihre Souveränität einschränken könnte.
Unverzichtbar fĂĽr Schweizer Migrationsaussenpolitik
164 Staaten setzen den Migrationspakt inzwischen um. Ihre Erfahrungen belegen, dass sich Befürchtungen von Souveränitätsverlust und wachsenden Verpflichtungen nicht bewahrheitet haben. Aus Sicht der SFH ist der UNO-Migrationspakt insbesondere für die Schweizer Migrationsaussenpolitik von höchster Relevanz. Denn die Zustimmung zum Pakt stärkt die Gestaltungsmacht des Kleinstaats Schweiz, Migrationspolitik auf internationaler Ebene aktiv mitzuentwickeln, und trägt dazu bei, dass die Schweiz ihre Vorreiterrolle in der globalen Migrationspolitik wieder einnehmen kann. Die SFH erachtet den Pakt als ein wichtiges Instrument für die bilaterale und multilaterale Migrationspolitik der Schweiz.
Absage aus dem Ständerat
Nach sechs Jahren hat der Ständerat dem UNO-Migrationspakt nun eine Absage erteilt. Damit stellt er letztlich die bisher verfolgte Schweizer Migrationspolitik infrage, die einen umfassenden und partnerschaftlichen Ansatz mit Herkunfts-, Transit- und Zielländern verfolgt und sich seit Langem für eine solidarische internationale Migrationszusammenarbeit engagiert. Für die SFH ist dieser Entscheid nicht nachvollziehbar. Die aufgeheizte Debatte, geprägt von Ängsten, Behauptungen und Falschinformationen, hat eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema erschwert. Die SFH sieht in dieser Ablehnung durch den Ständerat einen Rückschlag für die Schweizer Migrationsaussenpolitik und eine verpasste Chance, die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich zu stärken. 
Die SFH fordert daher den Nationalrat auf, den Fehlentscheid zu korrigieren und sich endlich klar zu dem Pakt zu bekennen, der ein transparent ausgehandelter Kompromiss zwischen den jeweiligen Eigeninteressen der Staaten ist und deren nationale Souveränität in der Migrationspolitik anerkennt.
Eine kurze RĂĽckblende
Am 19. Dezember 2018 verabschiedete die UNO-Generalversammlung den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, kurz UNO-Migrationspakt. Es handelt sich um den ersten von der UNO verabschiedeten Handlungsrahmen zur besseren internationalen Zusammenarbeit im Bereich grenzüberschreitender Migration. In seiner Botschaft vom 3. Februar 2021 anerkennt der Bundesrat den Nutzen des Migrationspakts und dessen Deckung mit den Interessen der Schweiz: «Ziel des rechtlich nicht verbindlichen UNO-Migrationspaktes ist es, mittels gemeinsam getragener Prinzipien und Zielsetzungen die weltweite Migration künftig sicherer und geordneter zu steuern. Die Grundsätze des Migrationspaktes, Partnerschaft und internationale Zusammenarbeit bei gleichzeitig souveräner nationalstaatlicher Steuerung der Migration, entsprechen der Ausrichtung der Migrationspolitik der Schweiz.» 159 Staaten stimmten damals zu, während sich die Schweiz mit zwölf anderen Staaten der Stimme enthielt.