Frontex-Referendum: Die SFH beschliesst Stimmfreigabe

28. März 2022

Am 15. Mai befindet die Schweizer Stimmbevölkerung darüber, ob die Schweiz die neue EU-Verordnung zur europäischen Grenzschutzagentur Frontex übernimmt. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) teilt die Kritik des Referendumskomitees an Frontex, erkennt zugleich aber auch die Risiken der Vorlage für die Schengen-Dublin-Assoziierung. Der Vorstand der SFH hat deshalb Stimmfreigabe beschlossen. Die SFH wird sich als Fachorganisation in die Debatte einbringen.

Die SFH prangert die mitunter massiven Menschenrechtsverletzungen und illegalen Push-Backs an den EU-Aussengrenzen seit langem an. Dass Frontex teilweise selbst an diesen beteiligt ist, steht im krassen Widerspruch zum Europäischem Recht und den völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die kontinuierliche Aufrüstung von Frontex ist in diesem Kontext und aufgrund der fehlenden demokratische Kontrolle der EU-Grenzschutzagentur problematisch. Die SFH stimmt in diesen zentralen Punkten mit der Kritik des Referendumskomitees überein. 

Auf die neue EU-Verordnung zu Frontex hat das Referendum allerdings keinen Einfluss. Diese ist bereits seit Dezember 2019 in Kraft. Auch der finanzielle Beitrag der Schweiz ist nicht verhandelbar. Das Referendum birgt zudem bedeutende europapolitische Risiken: Als assoziiertes Mitglied von Schengen/Dublin ist die Schweiz verpflichtet, den neuen Rechtsakt zu übernehmen, einen finanziellen Beitrag zu leisten und sich an Frontex-Einsätzen zu beteiligen.

Tut sie das nicht, droht der Schweiz gemäss Schengener Assoziierungsabkommen der Ausschluss bei Schengen/Dublin und der Verlust ihres Frontex-Verwaltungsratssitzes. Damit wäre weder eine gemeinsame Flüchtlingspolitik mit Europa noch eine Einflussnahme auf die Ausrichtung von Frontex mehr möglich.

Bewusstsein für Grundrechte stärken

Die SFH ist überzeugt, dass es für den Schutz und die Wahrung der Grundrechte geflüchteter Menschen die Zusammenarbeit aller europäischen Staaten braucht. Die SFH fordert seit Jahren eine grundlegende Reform von Frontex und setzt sich mit ihrem europäischen Dachverband, dem European Council on Refugees and Exiles (ECRE), für ein unabhängiges und effektives Melde-, Untersuchungs- und Überwachungssystem der Agentur ein. Der Handlungsbedarf ist unbestritten. Das bestätigen inzwischen eine ganze Reihe von Untersuchungen, die auf EU-Ebene eingeleitet oder bereits durchgeführt wurden.

Doch damit die erforderliche Reform der Agentur auch nachhaltig umgesetzt wird, braucht es weiterhin einen starken öffentlichen Druck. Ob dieser Druck besser durch ein Nein an der Urne oder durch ein entschlossenes Agieren der Schweiz innerhalb des Frontex-Verwaltungsrats erreicht wird, ist allerdings offen. Vor diesem Hintergrund hat der SFH-Vorstand die Chancen und Risiken des Referendums sorgfältig abgewogen und schliesslich Stimmfreigabe zur Vorlage beschlossen. Unabhängig davon unterstützt die SFH die Bemühungen, in der Schweiz ein stärkeres Bewusstsein für den Schutz der Grundrechte von Geflüchteten zu schaffen und wird sich daher als Fachorganisation in die Debatte einbringen, um einen Beitrag zu einer differenzierten Meinungsbildung zu leisten.

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