Zwei Vernehmlassungsantworten der SFH: Grundrechte und spezifische Bedürfnisse von Geflüchteten stärker berücksichtigen

28. März 2024

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat zwei Antworten zu Vernehmlassungen eingereicht. Die eine betrifft die Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), die andere die Stärkung der Kinderrechte. Im Zusammenhang mit dem AIG lehnt die SFH insbesondere die neu vorgesehene Anwesenheitspflicht in der Unterkunft ab, die für abgewiesene Asylsuchende gelten soll.

Die SFH hat an zwei Vernehmlassungsverfahren teilgenommen und beide Stellungnahmen am 28. März 2024 beim Eidgenössischem Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und beim Departement des Innern (EDI) eingereicht. Die erste Vernehmlassungsantwort betrifft diverse rechtliche Anpassungen im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) und weiteren Bundesgesetzen, welche von den Bundesbehörden zu einer Vorlage zusammengefasst worden sind. Die SFH hat den Fokus auf die für Menschen im Asylprozess relevanten Aspekte gerichtet: die Erleichterung der selbstständigen Erwerbstätigkeit, die Anwesenheitspflicht in der Unterkunft und daran anknüpfend neue Hafttatbestände sowie erweiterte Zugriffe auf Informationssysteme. Die SFH nimmt wie folgt Stellung:

  • Die Aufhebung der in gewissen Fällen noch geltenden Bewilligungspflicht für den Wechsel von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit von Inhaberinnen und Inhabern einer Aufenthaltsbewilligung wird grundsätzlich begrüsst. Aus Sicht der SFH ist es allerdings nicht notwendig, den Stellenwechsel während einer bestimmten Dauer einzuschränken.
  • Neu soll zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs eine Anwesenheitspflicht in der Unterkunft angeordnet werden können. Diese soll maximal sechs Stunden pro Tag für die maximale Dauer von jeweils einem Monat betragen. Wird diese Anwesenheitspflicht nicht eingehalten, kann dies zu einem neuen Hafttatbestand für Ausschaffungshaft oder Dublinhaft führen. Die geplante Anwesenheitspflicht stellt aus Sicht der SFH einen äusserst kritischen Eingriff in das Grundrecht der Bewegungsfreiheit dar. Die SFH lehnt diese weitere Zwangsmassnahme sowie die neuen Hafttatbestände entschieden ab. Sollte die Bestimmung trotzdem eingeführt werden, empfiehlt die SFH, dass die Anwesenheitspflicht höchstens in begründeten Einzelfällen als effektive Alternative zur Ausschaffungshaft und nur unter Wahrung der Verhältnismässigkeit angeordnet werden darf. Zudem sollten die dafür nötigen rechtlichen Voraussetzungen auf Verordnungsebene präzisiert werden. Die SFH hat hierzu den gesetzgebenden Behörden in der Vernehmlassungsantwort einen detaillierten Formulierungsvorschlag unterbreitet, worin unter anderem vorgeschlagen wird, dass die Anwesenheitspflicht verkürzt und nicht auf die Nacht fallen darf, sowie vulnerable Personen davon ausgenommen werden.
  • Die geplante Erweiterung der Zugriffsberechtigungen für verschiedene Behörden und Dritte auf die Datenbanken ZEMIS und eRetour wertet die SFH als heikel, insbesondere, wenn es um besonders schützenswerte Daten geht. Die SFH fordert deshalb, dass dabei der Datenschutz der Betroffenen sowie die Verhältnismässigkeit gewahrt werden. Es muss klar und transparent bezeichnet werden, wer auf welche Informationen und unter welchen Voraussetzungen Zugriff erhalten darf. Auch hierzu präsentiert die SFH in der Vernehmlassungsantwort einen Formulierungsvorschlag.

Schaffung einer nationalen Kinderrechtsorganisation

Die zweite Vernehmlassungsantwort, welche die SFH heute eingereicht hat, betrifft die Stärkung der Kinderrechte. In der Frühlings- bzw. Herbstsession 2020 hat das Parlament die Motion 19.3633 «Schaffung einer Ombudsstelle für Kinderrechte» angenommen und damit den Bundesrat beauftragt, dafür gesetzliche Grundlagen auszuarbeiten. Der Bundesrat möchte statt einer Ombudsstelle für Kinderrechte eine nationale Kinderrechtsorganisation schaffen, «die Wissen vermitteln, Behörden beraten und die zahlreichen Akteure auf Bundes-, kantonaler und kommunaler Ebene vernetzen» soll. Diese Aufgaben sollen einer geeigneten Organisation übertragen werden. Die SFH begrüsst dies als

einen Schritt in die richtige Richtung, auch wenn damit nicht wie ursprünglich gefordert eine Ombudsstelle für Kinderrechte geschaffen wird. Allerdings sollte nach Ansicht der SFH die besondere Schutzbedürftigkeit von begleiteten und unbegleiteten Kindern im Asylverfahren oder mit Migrationshintergrund bei der Ausgestaltung der Aufgaben und Kompetenzen der geplanten, nationalen Kinderrechtsorganisation mitberücksichtigt werden.

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