Vorläufig Aufgenommene: Arbeitsweg von zwei Stunden behindert die berufliche Integration.

16. Mai 2023

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst in ihrer Vernehmlassungsantwort grundsätzlich die geplanten Anpassungen für einen einfacheren Arbeitsmarktzugang von Personen mit einer vorläufigen Aufnahme. Allerdings fallen die Bedingungen für den erleichterten Kantonswechsel aus Sicht der SFH noch zu restriktiv aus.

Der Bundesrat will vorläufig Aufgenommenen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und hat entsprechende Anpassungen in die Vernehmlassung geschickt. Auch die SFH hat sich daran beteiligt und begrüsst in ihrer Antwort vom 15. Mai 2023 grundsätzlich die Änderungsvorschläge auf Verordnungsstufe des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG).

Zukünftig sollen Personen mit einer vorläufigen Aufnahme aus beruflichen Gründen einfacher den Kanton wechseln können. Die SFH begrüsst die Ausnahmeregelungen für einen Kantonswechsel bei unzumutbarem Arbeitsweg oder aufgrund der Arbeitszeiten als einen Schritt in die richtige Richtung. Die an den Kantonswechsel geknüpften Bedingungen sind aber aus Sicht der SFH nach wie vor sehr restriktiv geregelt und behindern eine erfolgreiche Arbeitsintegration. Beispielsweise wird ein Arbeitsweg von zwei Stunden pro Weg als zumutbar eingeschätzt. Aus Sicht der SFH ist der Arbeitsweg bereits ab einer Dauer von je einer Stunde pro Weg unzumutbar. Bei täglich vier Stunden Reisezeit wird das Familienleben massiv eingeschränkt und für Personen mit Betreuungsaufgaben ist dies organisatorisch unmöglich zu leisten. Die Regelung wirkt sich deshalb insbesondere auf Frauen kontraproduktiv aus, die nach wie vor einen Grossteil der Betreuungsarbeit leisten. Ihre Erwerbsquote ist im Flüchtlingsbereich bereits jetzt deutlich tiefer als diejenige von Männern.

Fokus auf die Integrationsförderung

Für Arbeitgebende und staatliche oder staatlich mandatierte Institutionen, welche die berufliche Integration mit entsprechenden Programmen fördern, sind administrative Erleichterungen vorgesehen. So entfällt in Zukunft die Meldepflicht, wenn die Erwerbstätigkeit einer vorläufig aufgenommen Person im Rahmen einer Massnahme zur beruflichen Ein- und Wiedereingliederung erfolgt und der Bruttolohn unter 600 Franken liegt. Als weitere Massnahme kann die Erwerbstätigkeit im Rahmen von Eingliederungsmassnahmen auch von Drittstellen statt durch die Arbeitgebenden gemeldet werden. Vorläufig Aufgenommene, die gestützt auf die Härtefallregelung eine B-Bewilligung erhalten haben, müssen zudem für die Arbeitsaufnahme keine Bewilligung mehr einholen. Die SFH begrüsst diese Erleichterungen sehr. Werden die administrativen Tätigkeiten reduziert, können die Integrationsangebote stärker auf die Förderung der beruflichen Integration der Klientinnen und Klienten fokussiert werden. Die Erleichterungen können aber zu einer Verzerrung der Erwerbsstatistik führen. Die SFH regt deshalb an, dass trotz der Vereinfachung der Melde- und Bewilligungspflicht alle Formen der Erwerbstätigkeit ausgewiesen und in der Erwerbsquote von geflüchteten Personen berücksichtigt werden.

Neubeurteilung der Reiseeinschränkungen

Zudem sollen die bereits beschlossenen, zusätzlichen Verschärfungen und Verbote, welche die Reisefreiheit von vorläufig Aufgenommenen betreffen, noch nicht in Kraft gesetzt werden. Zu offensichtlich sind die Widersprüche zur gewährten Reisefreiheit von Personen mit Schutzstatus S, weshalb Bundesrat und Parlament zuerst die diesbezüglichen Erfahrungen mit diesem erstmals aktivierten Status auswerten möchten. Die SFH begrüsst diesen Entscheid und erachtet die aktuelle Situation als eine gute Gelegenheit für eine umfassende Neubeurteilung der Situation für vorläufig Aufgenommene. Seit Jahren setzt sich die SFH für eine Aufhebung der unberechtigten Einschränkungen für vorläufig Aufgenommene ein und regt an, die vorläufige Aufnahme durch einen positiven Schutzstatus zu ersetzen.

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