Unbegleitete Kinder im Asylverfahren

Kinder, die ohne ihre Eltern geflüchtet sind, sind besonders schutzbedürftig. Unbegleitete Minderjährige sind auf sich allein gestellt und haben vor und auf der Flucht oft schwierige, traumatische Erfahrungen gemacht. Wir setzen uns für kindes- und altersgerechte Asylverfahren, Betreuung und Unterbringung der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen ein.

Besonderer Schutzbedarf

Unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) sind aufgrund ihres jungen Alters besonders verletzlich. Sie haben oft belastende Erfahrungen vor und auf der Flucht hinter sich und stehen in der Schweiz allein einer ungewissen Zukunft und einem komplexen Asylverfahren gegenüber. Sie können spezifische Gründe für eine Flucht haben, wie beispielsweise die Rekrutierung als Kindersoldaten oder eine Zwangsheirat. Gemäss den Vorgaben der Kinderrechtskonvention sind UMA Kinder und müssen von der Schweiz als solche behandelt werden. Das Schweizer Asylrecht sieht spezifische Massnahmen für ihre Betreuung und Unterstützung vor.

Unterbringung, Betreuung und Vertretung

UMA sind während des Asylverfahrens in einem Bundesasylzentrum (BAZ) untergebracht. In der Regel erhalten die asylsuchenden Kinder dort Zimmer, die getrennt von den Erwachsenen und nach Geschlecht aufgeteilt sind. UMA unter 12 Jahren werden üblicherweise in spezialisierten Einrichtungen oder in Pflegefamilien in den Kantonen untergebracht.

Während ihres Asylverfahrens haben UMA das Recht auf eine Vertrauensperson. Diese Funktion übernehmen im beschleunigten Verfahren die zugewiesenen Rechtsvertretenden neben ihrer eigentlichen Rolle als Rechtsvertretung im Asylverfahren. Mit der doppelten Rolle und den dafür vorhandenen Ressourcen geraten die Vertrauenspersonen oft an ihre Grenzen. Zusammen mit den in der Betreuung arbeitenden Sozialpädagoginnen und -pädagogen üben sie faktisch die elterliche Sorge aus. Nach Kantonszuweisung wird eine Beistandschaft errichtet.

Bildung

Alle Kinder im schulpflichtigen Alter müssen gemäss der Schweizer Bundesverfassung Zugang zu einer unentgeltlichen Grundbildung erhalten. In den Bundesasylzentren wird der Unterricht in der Regel intern angeboten und von kantonalen Lehrpersonen erteilt. In den Kantonen ist der Zugang zu Bildung unterschiedlich geregelt. Der Zugang zu Bildung für asylsuchende Kinder ab dem 16. Lebensjahr wird nicht systematisch gewährleistet, vor allem nicht während des Aufenthalts in den Bundesasylzentren.

Asylverfahren

Die Asylgesuche von UMA müssen gemäss Asylgesetz prioritär behandelt werden. Die meisten Gesuche von UMA werden deshalb im beschleunigten Verfahren entschieden.

Fehlen gültige Identitätspapiere, ist es für ein Kind schwierig, sein Alter nachzuweisen. Bestehen Zweifel an einer Altersangabe, versuchen die Behörden anhand medizinischer Untersuchungen eine Alterseinschätzung vorzunehmen. Diese Untersuchungen sind wissenschaftlich umstritten und bedeuten oft eine zusätzliche Belastung für die Kinder.

Im Fall eines positiven Asylentscheids oder einer vorläufigen Aufnahme werden UMA einem Kanton zugewiesen.

Unbegleitete minderjährige Asylsuchende dürfen nur weggewiesen werden, wenn sichergestellt ist, dass sie von ihrer Familie oder einer Institution aufgenommen werden können. Falls dies nicht der Fall ist, müssen sie vorläufig aufgenommen werden.

Im Fall eines negativen Asylentscheids mit angeordnetem Wegweisungsvollzug können UMA ausgeschafft werden. Dazu können die Behörden auch Zwangsmassnahmen einsetzen. In der Tat erlaubt das Schweizer Recht die Anordnung einer ausländerrechtlichen Administrativhaft von bis zu zwölf Monaten für Minderjährige von 15 bis 18 Jahren.

Dafür setzen wir uns ein

  • Kindgerechte Unterbringung. In den Kollektivunterkünften leben viele Menschen auf engem Raum. Neben einer Tagesstruktur brauchen Kinder eigene Schlaf- und Rückzugsorte sowie eigene Räumlichkeiten zum Spielen und Lernen. Kinder im Asylverfahren sollen zudem in von Erwachsenen getrennten Gebäuden oder Gebäudetrakten untergebracht werden. 
  • Kindgerechte Anhörungen. Die Anhörungen im Asylverfahren sind schon für Erwachsene eine Stresssituation. Umso stärker ist dies bei Kindern der Fall. Die Anhörungen müssen kindgerecht, zum Beispiel mittels Zeichnungen oder Rollenspielen, und von ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt werden.
  • Einbezug spezifischer Asylgründe. Kinder können spezifische Gründe für eine Flucht haben. Hierunter fällt beispielsweise die Rekrutierung als Kindersoldaten oder eine Zwangsheirat. Diese spezifischen Asylgründe müssen von den Behörden beachtet werden. 
  • Ressourcen für Vertrauenspersonen. Kinder, die auf sich allein gestellt sind, benötigen eine Ansprechperson, der sie vertrauen können. Hierzu müssen genügend Ressourcen bestehen. Nötige Kindesschutzmassnahmen müssen von den Behörden bereits während des beschleunigten Asylverfahrens eingeleitet werden.
  • Betreuung durch Fachpersonal. Die Belastung für Kinder, die sich ohne Eltern und nahe Bezugspersonen in der Schweiz befinden, ist besonders hoch. Ihre Betreuung muss durch Fachpersonal, das über interkulturelle Kompetenzen und im Umgang mit Traumata geschult ist, sichergestellt werden.
  • Zugang zu Grund- und Ausbildung. Jedes Kind hat das Recht auf gleichwertige Bildungschancen. Der Unterricht sollte, wenn möglich, an einer öffentlichen Schule angeboten werden, da dies die Integration fördert. Es benötigt auch in den Bundesasylzentren Bildungsmöglichkeiten für Jugendliche ab 16 Jahren, auch müssen sie später bei der Lehrstellensuche unterstützt werden.
  • Keine Administrativhaft. Kindern die Freiheit zu entziehen, widerspricht der Kinderrechtskonvention und kann schädliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit des Kindes haben. Deshalb muss in allen Kantonen auf die Administrativhaft von UMA verzichtet werden.
  • Ganzheitlicher Ansatz bei der Alterseinschätzung. Bestehen Zweifel an der Minderjährigkeit, beruft sich die Schweiz zur Alterseinschätzung unter anderem auf medizinische Untersuchungen. Die Schweiz muss ihre Praxis zur Altersschätzung von UMA gemäss internationalen Richtlinien anpassen und damit umfassende und ganzheitliche Methoden zur Alterseinschätzung anwenden. Im Zweifel soll zu Gunsten der betroffenen Person entschieden werden.
  • Umgekehrten Familiennachzug. Für Kinder ist die Trennung von den Eltern eine grosse Belastung. Eltern und engen Bezugspersonen von unbegleiteten Kindern muss die Einreise in die Schweiz ermöglicht werden, wenn dies dem Kindesinteresse entspricht.

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