Person schreibt an einem Schultisch

«Unterschiedlich unterwegs» – Studie über die Integrationsförderung

29. Juli 2024

Eine Bestandsaufnahme zu den Bildungsmöglichkeiten junger Geflüchteter in der Schweiz zeigt ein unterschiedliches Bild: Zwar sind sich Bund, Kantone und Gemeinden grundsätzlich einig, dass der Zugang zu Bildung gefördert werden soll. Doch in der Praxis sind die Hindernisse und Unterschiede je nach Kanton und Gemeinde gross.

Im Auftrag des «National Coalition Building Institute» (NCBI Schweiz) und des Flüchtlingsparlamentes Schweiz hat das Schweizerische Forum für Migrationsstudien (SFM) die Ausbildungs- und Bildungssituation junger Geflüchteter untersucht und ein umfassendes Mapping erstellt. Auch die SFH hat im Rahmen eines Hearings mit ihrer Expertise dazu beigetragen. Der Fokus lag dabei auf der spezifischen Integrationsförderung, welche Kantone und Gemeinden im Rahmen der Integrationsagenda (IAS) und der Kantonalen Integrationsprogramme (KIP) für geflüchtete Menschen leisten. Speziell untersucht wurden die durchgehende Fallführung mit Potenzialabklärung, die Sprachförderung, der Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten sowie Begleitmassennahmen für die Bildung wie etwa Betreuungsangebote für Eltern oder die Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Traumafolgestörungen.

Das Setting

Nebst einer Umfrage bei den kantonalen Integrationsdelegierten untersuchte das Forschungsteam die sieben Kantone Aargau, Bern, Schaffhausen, Schwyz, Zug, Wallis und Zürich sowie einzelne Zürcher Gemeinden genauer. Die Resultate wurden in Fachinterviews und Hearings mit Expertinnen und Experten gespiegelt und ergänzt. Daraus ist ein umfassendes Mapping entstanden, das eine relevante Ergänzung zum Monitoring der Integrationsagenda des Staatssekretariats für Migration (SEM) darstellt. Das Mapping bietet einen bis dahin noch seltenen, unabhängig erforschten, kantonsübergreifenden Überblick zu Bereichen der Integrationsagenda.

Die Resultate

Die Auswertungen zeigen, dass der Zugang junger Geflüchteter zu Ausbildungs- und Bildungsangeboten grundsätzlich gefördert wird. Die Kantone und Gemeinden nutzen dazu die spezifischen Instrumente aus der Integrationsförderung; insbesondere die Potenzialabklärung, um der Devise «Bildung vor Arbeit» und der Stossrichtung der Integrationsagenda Rechnung zu tragen. Die Studie zeigt aber auch, dass gerade Geflüchtete mit einem Hochschul-Abschluss nicht immer oder nur über viele Hürden den Weg an eine Universität oder Fachhochschule finden. Gründe dafür sind die unterschiedlichen Zulassungsbedingungen und komplexe Anerkennungsprozesse ausländischer Diplome von Hochqualifizierten oder die gegenteilige Gewichtung der oben genannten Devise, also «Arbeit vor Bildung».

Das Prinzip der Fallführung mit Potenzialabklärung ist grundsätzlich anerkannt, wird jedoch lokal unterschiedlich umgesetzt. Dies ist einerseits abhängig von den lokalen, institutionellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, andererseits auch von den jeweiligen fachlichen und personellen Ressourcen.  

Zum anderen bestehen noch Angebotslücken für den Bildungsweg psychisch oder physisch beeinträchtigter Geflüchteter. Diese benötigen spezielle Begleitmassnahmen, die nicht jeder Kanton oder Gemeinde leisten kann. Auch für nicht alphabetisierte Jugendliche und junge Erwachsene gestaltet sich der Zugang zum Bildungswesen schwierig – oft wird ihr Potenzial nicht erkannt oder sie können es nicht vollumfänglich ausschöpfen.

Die Potenziale

Gemäss Integrationsagenda soll die Sprachförderung bei allen zugewiesenen Geflüchteten so früh und so intensiv wie möglich einsetzen. Dabei wird Sprachförderung bis zum Niveau A2 in allen untersuchten Kantonen gewährleistet und im Rahmen der IAS abgedeckt. Bei der weiterführenden Sprachförderung gibt es jedoch grosse Unterschiede, es fehlt eine systematische Förderung über das Sprachniveau B1 hinaus. Dies ist aber meist eine Voraussetzung, um höhere Ausbildungen absolvieren zu können. Entsprechend ortet das Forschungsteam Potenziale beim Zugang hochqualifizierter Geflüchteter zu Fachhochschulen und Universitäten.

Wünschenswert wären zudem verbindlichere Vorgaben des Bundes, um auch Asylsuchenden im erweiterten Verfahren den Zugang zu den bestehenden Sprachförderungsangeboten zu ermöglichen. Dies hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) bereits in der News vom Dezember 2022 über das «Monitoring Integrationsförderung» des SEM betont.

Schliesslich bestätigt die Studie auch die Haltung der SFH, dass die tiefen Ansätze der Asylsozialhilfe hinderlich für die Integration sowie den Zugang zu Angeboten der Integrationsförderung sein können. Die SFH setzt sich deshalb dafür ein, dass sich die Asylsozialhilfe für vorläufige aufgenommene Personen und Schutzsuchende an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) orientiert.

Newsletter

Bleiben Sie über asylpolitische Fragen, die Situation in den Herkunftsländern von Asylsuchenden und unsere Aktivitäten auf dem Laufenden.

Jetzt abonnieren