Umstrittene Altersbestimmung: Uno-Ausschuss kritisiert die Schweiz

10. Juni 2024

Ende Mai hat der Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC) Verfahrensmängel bei der Beurteilung des Alters eines mutmasslich minderjährigen Asylsuchenden kritisiert. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist ob der Kritik nicht überrascht. Sie argumentiert seit langem, dass die Verfahren zur Altersbestimmung von Geflüchteten in der Schweiz nicht angemessen sind.

Nach Ansicht des Ausschusses hat die Altersbewertung immer umfassend, unter Beteiligung von Kinderärzten und anderen Spezialistinnen, zu erfolgen. Aus Sicht der SFH fehlt ein solch ganzheitlicher Ansatz nach wie vor.

«In dubio pro minore»

Es ist das erste Mal, dass der CRC die Schweiz in Bezug auf Fragen der Altersbestimmung von Asylsuchenden rügt. Gemäss CRC darf die Beweislast nicht ausschliesslich bei den Asylsuchenden liegen. Darüber hinaus sollte nach Ansicht des Ausschusses im Zweifel für die Betroffenen entschieden werden – sprich diese sollten als Kinder behandelt werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass es sich tatsächlich um Minderjährige handelt.

Die Entscheidung des Ausschusses bezieht sich auf einen Fall, der sich vor dem Inkrafttreten des neuen Asylverfahrens ereignet hat. Wie die SFH mehrfach betont hat, tragen Asylsuchende auch heute noch alle Konsequenzen, wenn sie ihre Minderjährigkeit nicht nachweisen können, und der Grundsatz «in dubio pro minore» wird nicht immer korrekt angewandt.

Die SFH wird die Praxis des SEM zur Bestimmung des Alters bei minderjährigen Asylsuchenden weiterhin sehr genau beobachten. Dies gestützt auf die klare Botschaft des Kinderrechtsausschusses, der in seinem Entscheid die Schweiz aufgefordert hat, ähnliche Verstösse künftig zu verhindern.

Hintergrund des Entscheids

Am 29. Mai 2024 traf der Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC) eine Entscheidung bezüglich der Schweiz im Fall A.M. Der Beschwerdeführer machte eine Verletzung von zwei im Übereinkommen über die Rechte des Kindes anerkannten Rechten geltend, nämlich Artikel 3 (Kindeswohl) und Artikel 12 (Recht auf Anhörung), weil die Schweiz sich geweigert hatte, ihn während seines Asylverfahrens als minderjährig zu betrachten.

Der Ausschuss machte deutlich, dass das Altersbestimmungsverfahren von äusserster Wichtigkeit ist, da das Ergebnis dieses Verfahrens darüber entscheidet, ob die betreffende Person als Kind Anspruch auf nationalen Schutz hat oder nicht.

Rolle des CRC

Der Ausschuss für die Rechte des Kindes (Committee on the Rights of the Child – CRC) trifft sich jährlich drei Mal. Sitzungsort ist Genf. Alle Mitgliedsstaaten müssen mindestens alle fünf Jahre einen Bericht zu Händen des CRC abgeben. Die Aufgabe des Rats besteht darin, die Berichte zu prüfen. Über 196 Staaten sind heute Mitglied der Kinderrechtskonvention. Ein Zusatzprotokoll sieht zudem ein individuelles Verfahren vor, mit dem Kinder Verletzungen der Kinderrechtskonvention in ihrem Einzelfall vom CRC beurteilen lassen können. Dieses Zusatzprotokoll gilt seit dem 24. Juli 2017 auch für die Schweiz.

Unsere Arbeit ist nur dank Ihrer Unterstützung möglich.

Jetzt spenden