Vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge sollen rasch in der Arbeitswelt und Gesellschaft Fuss fassen und ihr Leben möglichst frei von Sozialhilfe finanzieren können. Für dieses Ziel haben Bund und Kantone 2019 gemeinsam eine Integrationsagenda (IAS) entwickelt und darin verbindliche Wirkungsziele und Prozesse festgelegt. Mit verschiedenen Massnahmen soll der Integrationsprozess hin zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit gefördert werden. Hierzu gehören eine persönliche Erstinformation über die Rechte und Pflichten in der Schweiz, Sprachkurse schon kurz nach der Ankunft, permanente Jobcoaches oder Potentialabklärungen für gezielte Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme.
Heute hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) nun erstmals Zahlen zur Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Berufsbildung veröffentlicht. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst die Veröffentlichung; sie stellt einen ersten wichtigen Schritt dar, um die Wirkung der IAS besser einschätzen zu können. Gemäss Zielvorgaben sollten sich zwei Drittel aller anerkannten Flüchtlinge (FL) und vorläufig Aufgenommenen (VA) im Alter von 16 bis 25 Jahren fünf Jahre nach der Einreise in einer postobligatorischen Ausbildung befinden. Und die Hälfte aller erwachsenen FL/VA sieben Jahre nach der Einreise nachhaltig in den ersten Arbeitsmarkt integriert sein.
Deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Die Integrationsagenda scheint dabei grundsätzlich einen positiven Effekt zu haben. Wie die veröffentlichten Zahlen zeigen, werden die Ziele von Jahr zu Jahr besser erreicht. Die Zahlen lassen gleichzeitig einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern erkennen: Rund die Hälfte der Männer haben einen Schul- oder Lehrabschluss auf Sekundarstufe II erreicht, während es bei den Frauen nur ein Drittel ist. Bei der Erwerbstätigkeit ist der Unterschied noch grösser. Gründe dafür dürften unter anderem die fehlenden Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein. Dies gilt insbesondere für die Kinderbetreuung und deren Finanzierung. Hier gibt es gerade in ländlichen Regionen weniger Angebote. Die SFH setzt sich deshalb dafür ein, dass die Anstrengungen zur gleichberechtigten Integrationsförderung von Frauen, Männern und Familien verstärkt werden. Dazu müssen aus ihrer Sicht insbesondere die Strukturen der Kinderbetreuung ausgebaut und gleichzeitig die Behörden für die Problematik sensibilisiert werden.
Die Zahlen zeigen ausserdem: Je früher die Integrationsförderung einsetzt, desto positiver ist ihr Effekt. Die ersten Jahre nach der Einreise sind entscheidend, mit zunehmendem Alter sinken die Erfolgschancen. Der SFH erscheint es deshalb wichtig, dass gerade auch Geflüchtete im erweiterten Verfahren möglichst früh und konsequent schon während der Asylverfahren gefördert werden.
Angaben zur sozialen Integration nötig
Eine umfassende Einschätzung der Integrationsagenda ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Für die SFH ist allerdings klar: Der Integrationsprozess gelingt dann besonders gut, wenn Geflüchtete in einem familiären Umfeld mitten in der Gesellschaft leben. Das psychische Wohlbefinden ist für Menschen, die eine schwierige Flucht hinter sich haben und ihr Leben in einer fremden Gesellschaft neu aufbauen müssen, entscheidend. Das SEM bemüht sich aktuell, auch die soziale Integration messen zu können, zumal das auch im Monitoringkonzept zur IAS vorgesehen ist. Die SFH begrüsst dies, denn Projekte in diesem Bereich wie zum Beispiel das Gastfamilienprojekt zeigen gemäss ihren Erfahrungen eine positive Wirkung. Hierzu werden bald auch Zahlen seitens der SFH vorliegen.