Juristische Analyse zu Kroatien: SFH beurteilt aktuelle Praxis der Schweiz kritisch

10. März 2023

Kroatien verstösst mit illegalen Push-Backs und der Anwendung von Gewalt gegen Schutzsuchende gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen. In der juristischen Analyse vom Februar 2023 gibt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) einen Überblick über die aktuelle Praxis der Schweizer Asylbehörden und des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) zu Kroatien. Die SFH bewertet diese kritisch und rät seit längerer Zeit von Überstellungen nach Kroatien ab.

Die SFH beobachtet die Situation für Dublin-Rückkehrende in Kroatien seit Jahren. So hat sie im Dezember 2021 einen Bericht zur Behandlung von psychisch erkrankten Personen sowie im September 2022 eine  juristische Analyse zur Einordnung der Polizeigewalt in Kroatien und Bulgarien veröffentlicht. Die Anwendung von Push-Backs und Gewalt gegenüber Schutzsuchenden durch die kroatische Polizei ist dabei gut dokumentiert. Das letzte Referenzurteil des BVGer liegt derweil über drei Jahre zurück. Mit der vorliegenden juristischen Analyse soll ein Blick auf die aktuelle Einschätzung der Situation durch das SEM und insbesondere das BVGer geworfen werden.

Einschätzung des BVGer nicht nachvollziehbar

Das jüngste EU-Mitglied Kroatien bleibt weiterhin ein relevantes Land für Dublin-Fälle aus der Schweiz. Im Jahr 2022 hat das Staatsekretariat für Migration (SEM) in 1'135 Fällen ein Dublin-Verfahren mit Kroatien eingeleitet. Die aktuelle juristische Analyse der SFH geht neben dem erwähnten Referenzurteil aus dem Jahr 2019 auf einen Teil der Rechtsprechung des BVGer aus dem Jahr 2022 ein, welche Dublin-Nichteintretensentscheide zu Kroatien betreffen. Die SFH führt darin aus, wo sich ihre Erkenntnisse nicht mit denjenigen von Behörden und Gericht decken. Neben Urteilen aus anderen europäischen Ländern werden auch zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) besprochen, in denen Kroatien jüngst wegen Verstössen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt wurde.

Das BVGer stützt das SEM in dessen Einschätzung, wonach keine Hinweise vorliegen würden, dass sich Kroatien nicht an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen halte. Aus Sicht der SFH kann diese Aussage angesichts der zahlreichen und sehr gut dokumentierten Hinweise sowie der jüngsten beiden Verurteilungen durch den EGMR nicht nachvollzogen werden. Auch der Verweis, wonach sich Rückkehrende in Kroatien auf dem Rechtsweg gegen die erlebten Misshandlungen wehren könnten, ist keine realistische Option. Die SFH hält deshalb an ihrer Position fest, dass auf Überstellungen nach Kroatien verzichtet werden sollte. Wenn es dennoch dazu kommt, sollten individuelle Garantien eingeholt werden, um eine angemessene Aufnahme sicherzustellen.

Unsere Arbeit ist nur dank Ihrer Unterstützung möglich.

Jetzt spenden