Laut Bericht des Sonderberichterstatters sind aktuell mehrere Tausend Personen willkürlich und ohne Anklage inhaftiert, insbesondere Regime-Gegner*innen, Journalist*innen und Mitglieder religiöser Minderheiten, die vom Regime nicht anerkannt sind. Eritreer*innen, die sich dem obligatorischen Nationaldienst von unbegrenzter Dauer zu entziehen versuchen, werden in schwerwiegendster Weise unterdrückt. Die Betroffenen werden festgenommen, unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert, gefoltert und misshandelt. Der Berichterstatter unterstreicht, dass das 2018 unterzeichnete Friedensabkommen mit Äthiopien keinerlei Verbesserungen gebracht habe. Des Weiteren trägt der blutige Konflikt in der Region Tigray zur Verschlechterung der Lage bei und beeinträchtigt viele Bereiche, die schon vor Konfliktausbruch Anlass zur Sorge gaben. Im Bericht werden zum Beispiel die im Rahmen sogenannter «Giffas» (Razzien) durchgeführten Zwangsrekrutierungen, insbesondere von Frauen und Kindern, der Einsatz von 16-jährigen Mädchen und Jungen im Konflikt, die weiterhin vorhandene sexuelle Gewalt und die Belästigung von Frauen und Mädchen erwähnt.
Verhärtung der Schweizer Praxis trotz anderslautender Empfehlungen
Obwohl sich die Situation zunehmend verschlechtert, hat die Schweiz ihre Politik gegenüber Staatsangehörigen von Eritrea seit 2016 verschärft. Die illegale Ausreise oder die Bedrohung durch Zwangsrekrutierung reichen für eine Anerkennung des Flüchtlingsstatus heute nicht mehr aus. Darüber hinaus sind die Schweizer Behörden der Ansicht, dass der Vollzug von Wegweisungen nach Eritrea nach vernünftigem Ermessen zumutbar sei, dies trotz mehrerer Warnungen. Tatsächlich hat der UNO-Antifolterausschuss (Committee against Torture – CAT) mehrere Fälle von Wegweisungen aus der Schweiz nach Eritrea gestoppt, da sie gegen das Non-Refoulement-Gebot (Rückschiebungsverbot) verstossen. Im Mai 2022 wurde der Fall «Yonas» publik gemacht, der Fall eines Eritreers, der von der Schweiz nach Eritrea rückgeführt und dann bei seiner Ankunft in Eritrea verhaftet und gefoltert wurde. Dieses Beispiel verdeutlicht die hohen Risiken eines solchen Entscheids, der offenbar auf mangelhaften Informationen über die Situation in Eritrea beruhte. Da die Vorgehensweise der Behörden diesbezüglich zahlreiche Fragen aufwirft, gibt es derzeit in der Schweiz mehrere parlamentarische Vorstösse zum Thema Eritrea.
Wegweisungen nach Eritrea sind nicht gerechtfertigt
Die Informationen dieses neuen Berichts stützen die bisherigen Erkenntnisse der SFH. Die Schweizer Praxis gegenüber aus Eritrea geflüchteten Personen ist zu überdenken. Die Tatsache, dass der Nationaldienst in keiner Weise reformiert wurde und nach wie vor eine der wichtigsten Ursachen für Menschenrechtsverletzungen darstellt, sollte dabei angemessen berücksichtigt werden. Die Schweiz muss bei Asylverfahren eritreischer Staatsbürger*innen den Schutzaspekt stärker gewichten. Die Behörden dürfen sich nicht auf blosse Vermutungen stützen. Da Rückführungen nicht mehr durchführbar sind, die Wegweisungspraxis jedoch verschärft worden ist, müssen immer mehr Eritreer*innen Soforthilfe beanspruchen und in einer besonders prekären Situation leben. Deshalb setzt sich die SFH für bessere Integrationsmassnahmen für die aus Eritrea geflüchteten Personen in der Schweiz sowie bessere Möglichkeiten zur Regularisierung ihres Aufenthalts ein.