Am 15. August 2021 nahmen die Taliban Kabul ein und ĂŒbernahmen in der Folge die Kontrolle ĂŒber ganz Afghanistan. Sie versprachen, eine Regierung einzusetzen, in der alle Ethnien und Volksgruppen vertreten sind. Drei Wochen spĂ€ter kĂŒndigten die Taliban dann eine vorlĂ€ufige Regierung an, die fast ausschliesslich aus mĂ€nnlichen Paschtunen bestand. Zudem verwarfen sie sĂ€mtliche PlĂ€ne fĂŒr Wahlen und ein demokratisches System.
Bereits vor der MachtĂŒbernahme durch die Taliban erlebte das Land eine der schlimmsten humanitĂ€ren Krisen seiner Geschichte. Diese hat sich seither noch verschlechtert. DarĂŒber hinaus werden die Menschenrechte immer hĂ€ufiger missachtet. Diese katastrophale Lage wird unter anderem durch den im Juli 2022 veröffentlichten ersten Bericht der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) ĂŒber die Menschenrechtslage in Afghanistan seit der MachtĂŒbernahme durch die Taliban bestĂ€tigt. Gewalt regiert das Land. In dem Bericht der UNO wird insbesondere auf mehrere Hundert willkĂŒrliche Verhaftungen, 185 FĂ€lle von Folter und Misshandlungen sowie 217 FĂ€lle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung hingewiesen.
Risikogruppen sind von der Gewalt und den restriktiven Massnahmen der Taliban besonders betroffen. Wie in einem Bericht von Amnesty International im Juli 2022 hingewiesen wurde, wurden die Rechte der Frauen und jungen MĂ€dchen seit der Machtergreifung der Taliban immer mehr beschrĂ€nkt, und das trotz des Versprechens, ihnen den Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt zu erleichtern. Frauen und junge MĂ€dchen haben weniger Bewegungsfreiheit, nur begrenzten Zugang zu Bildung und sehen sich mit Berufsverboten konfrontiert. Deren UnterdrĂŒckung beschrĂ€nkt auch deren Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Situation anderer Risikogruppen hat sich ebenfalls verschlechtert: Hier sind insbesondere Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten, Menschenrechtsaktivist*innen und BĂŒrgerrechtler*innen zu nennen.
Die Massenabwanderung der afghanischen Bevölkerung hĂ€lt an. Die Menschen flĂŒchten vor allem nach Iran und Pakistan, nur eine Minderheit in die Schweiz, vor allem, weil die Schweiz keinen legalen und sicheren Weg fĂŒr die schutzsuchenden Afghaninnen und Afghanen bietet. Zudem verfolgt das Staatssekretariat fĂŒr Migration (SEM) trotz der verheerenden humanitĂ€ren Lage einen sehr restriktiven Kurs bei der Vergabe humanitĂ€rer Visa. Dem Schweizerischen Roten Kreuz zufolge erhielten im Jahr 2021 lediglich 37 Gesuchsteller*innen ein humanitĂ€res Visum â von 10â000 eingereichten Gesuchen betreffend Afghanistan.
Im August 2021 forderte die SFH die Schweizer Behörden auf, die schutzsuchende afghanische Bevölkerung schnell und ohne administrative Hindernisse aufzunehmen. Die damals formulierten Forderungen haben auch ein Jahr spĂ€ter im Wesentlichen noch GĂŒltigkeit. Die SFH forderte vor allem und fordert nach wie vor:
- die Ausstellung humanitĂ€rer Visa fĂŒr alle schutzbedĂŒrftigen Afghaninnen und Afghanen zu erleichtern und zu beschleunigen.
Angesichts der Verschlechterung der Lage und der noch nie dagewesenen humanitÀren Krise in Afghanistan ist die restriktive Praxis des SEM aus Sicht der SFH nicht lÀnger haltbar.