Im Fall eines homosexuellen Mannes aus dem Iran hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 12. November 2024 erneut gegen die Schweiz geurteilt. Die Schweizer Behörden hatten die Angaben des iranischen Gesuchstellers seine sexuelle Orientierung betreffend zwar als glaubhaft eingestuft; gemäss der konstanten Praxis kamen sie jedoch zum Schluss, dass ihm bei seiner Rückkehr in den Iran keine flüchtlingsrelevante Verfolgung drohe, sofern er seine Homosexualität dort «diskret» auslebe. Das bedeutet, dass es dem Gesuchstellenden nach Auffassung von SEM und BVGer zuzumuten wäre, seine sexuelle Orientierung ausserhalb seines engen Freundeskreises geheim zu halten.
Der EGMR stellt nun fest, dass es die Schweizer Asylbehörden bei der Prüfung auf dieser Grundlage versäumt haben, ausreichend abzuklären, ob die iranischen Behörden auch willens und in der Lage wären, den Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr wirksam vor Übergriffen durch «kriminelle Dritte» zu schützen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Schweiz vom EGMR wegen ihrer Behandlung von LGBTQI+-Personen gerügt wird. 2020 wurde im Fall B. und C. gegen die Schweiz dieselbe Fragestellung bezüglich eines Klägers aus Gambia bereits zu Ungunsten der Schweiz beurteilt.
Die SFH begrüsst den Entscheid und hofft, dass er die Schweizer Behörden endlich dazu bewegen wird, ihre langjährige Praxis bezüglich der «Diskretionspflicht» für LGBTQI-Personen zu überdenken. Eine solche Änderung ist lange überfällig und würde einen besseren Schutz für LGBTQI-Asylsuchende gewährleisten.