Seit Jahren verschlechtert sich die Situation der geflüchteten Menschen in den Lagern auf den griechischen Inseln dramatisch. Aktuell müssen dort über 40'000 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen ausharren, zusammengepfercht auf engstem Raum, ohne Zugang zu Nahrung, Hygiene und medizinischer Betreuung. Die Covid-19-Pandemie hat diese humanitäre Katastrophe noch verschärft. Zudem sind die Änderungen des griechischen Asylgesetzes seit Januar 2020 in Kraft und wirken sich für die Schutzsuchenden fatal aus.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat deshalb die diesjährige Kampagne zu den Flüchtlingstagen im Juni unter das Motto «Solidarität kennt keine Grenzen» gestellt. Gemeinsam mit 132 Organisationen und über 50'000 solidarischen Menschen hat sie den Bundesrat mit einem Appell und einer Petition aufgefordert, sich an der sofortigen Evakuierung der griechischen Flüchtlingscamps zu beteiligen und eine möglichst grosse Anzahl Personen in der Schweiz aufzunehmen. Die Städte Basel, Bern, Genf, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich haben ebenfalls ihre Solidarität mit konkreten Angeboten für die Flüchtlingsaufnahme manifestiert; sie würden Hand bieten für die Finanzierung der Flüge und für die Unterbringung.
Kantonale und private Beteiligung erwünscht
Trotz dieser beeindruckenden Solidaritätsbewegung sind die Kantone und Städte allerdings nicht dazu legitimiert, eigenmächtig zu handeln. Der Entscheid, ob sich die Schweiz an der Evakuierung der griechischen Lager beteiligt und Schutzsuchende aufnimmt, liegt alleine beim Bund.
Bereits 2016 haben indes Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier mit mehreren politischen Vorstössen verlangt, dass der Bund für solche humanitären Hilfs- und Aufnahmeaktionen stärker mit privaten Akteuren zusammenarbeiten soll. Der Bundesrat versprach damals, die Schaffung der dafür nötigen Gesetzesgrundlage zu prüfen. Doch geschehen ist das bis heute nicht. Die breite Unterstützung für die geforderte Schweizer Beteiligung an der Evakuierung der griechischen Insellager erhöht nun den Druck auf den Bundesrat.
Die Schweiz kann und soll mehr tun
Im Mai 2020 hat die Schweiz 23 unbegleitete minderjährige Geflüchtete (UMAs) aus Griechenland aufgenommen und angekündigt, dass später noch weitere UMAs mit Familienbezug in der Schweiz übernommen würden. Hinter dieser scheinbar grosszügigen Geste verbirgt sich allerdings die Tatsache, dass die Schweiz damit nur ihrer internationalen Verpflichtung im Rahmen des Dublin-Abkommens nachkommt. Die SFH ist der Ansicht, dass die Schweiz mehr tun kann und soll. Die Schweiz hat die nötige Infrastruktur und genügend Platz, zumal die Zahl der Asylgesuche derzeit so tief ist wie seit 2007 nicht mehr. Was bislang fehlt, ist der klare politische Wille dazu.