Die dringliche rechtliche Grundlage zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie soll vom Parlament in der Herbstsession verabschiedet und sofort in Kraft gesetzt werden. In der Botschaft zum neuen Covid-19-Gesetz hat der Bundesrat die zahlreichen Stellungnahmen dazu ausgewertet und hält fest, wie die Auswirkungen der Pandemie auf Gesellschaft, Wirtschaft und Behörden zu bekämpfen sind.
Die SFH hat zum Ausländer- und Asylbereich des Covid-19-Gesetzes bereits in ihrer Vernehmlassungsantwort vom 9. Juli 2020 und mit der entsprechenden Medienmitteilung die wichtigsten Bedenken und Forderungen dazu geäussert. Allerdings sind diese nicht in die 14 Artikel des nun vorliegenden Gesetzesentwurfs aufgenommen worden. Die SFH bedauert und kritisiert insbesondere,
- dass Bestimmungen zum Asylverfahren und zur Unterbringung, die von der geltenden Asylgesetzgebung abweichen, nicht auf Gesetzesstufe präzisiert und verankert worden sind und
- dass keine Ausnahmebestimmung für Asylsuchende bezüglich der Einreisebeschränkungen vorgesehen ist.
Der erste Punkt tangiert auch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen. Letztere sind für die Unterbringung von Asylsuchenden zuständig, die ihnen der Bund nach Ablauf von maximal 140 Tagen Aufenthalt in einem Bundesasylzentrum (BAZ) zuteilt. Gerade bei der Unterbringung hat sich während der Corona-Zeit gezeigt, dass die Umsetzung der BAG-Schutzmassnahmen eine grosse Herausforderung ist und in den Kantonen unterschiedlich ausgeführt wurden. Die SFH hat deshalb einheitliche Regelungen für die Unterbringung gefordert, die im Falle einer Pandemie auch auf Kantons- und Gemeindeebene gelten sollten.
Was der zweite Punkt anbelangt, so muss der Zugang zum Asylverfahren an der Grenze auch in Pandemiezeiten gewährleistet sein, um die Einhaltung des zwingenden völkerrechtlichen Non-Refoulement-Gebots sicherzustellen.
Keine Anhörungen ohne Rechtsvertretung
Die SFH kritisiert ferner, dass in Ausnahmefällen weiterhin Anhörungen ohne Rechtsvertretung möglich sein sollen. Eine Anhörung durchzuführen ohne Präsenz einer Rechtsvertretung bzw. Hilfswerksvertretung, wenn diese aufgrund Covid-19-bedingten Umständen verhindert ist, verletzt aber verfassungsmässige Garantien und darf deshalb keine Rechtsgültigkeit entfalten. Darauf verweist auch das Gutachten von Prof. Tanquerel.
Zudem soll die Beschwerdefrist für Dublin-Verfahren nicht verlängert werden, weil es sich dabei nur um die Bestimmung des zuständigen Staates handle. Diese Begründung greift nach Ansicht der SFH zu kurz angesichts der bekanntlich problematischen Situation in diversen Dublin-Ländern und der dort drohenden Menschenrechtsverletzungen.
Hingegen begrüsst die SFH grundsätzlich die Haltung des Bundes gegenüber dem Sozialhilfebezug wegen Covid-19. In der Botschaft verweist der Bundesrat diesbezüglich auf seine Antwort zur Motion Arslan 20.3406: Dort sagt der Bund explizit, dass Covid-19-bedingte Sozialhilfeabhängigkeit unverschuldet ist und damit zu Gunsten der betroffenen Person ausgelegt werden soll. Der Bund fordert die Kantone auf, ihren Ermessensspielraum zu nutzen, damit unverschuldeter Sozialhilfebezug wegen Covid-19 nicht zu zusätzlichen Nachteilen führt. Viele Geflüchtete, die aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 ihre Arbeit verloren haben, sind davon betroffen.