Im MĂ€rz 2019 trat in der Schweiz das neue Asylverfahren in Kraft. Seither werden die Verfahren beschleunigt durchgefĂŒhrt und finden dezentral in den Bundesasylzentren statt. Die Asylsuchenden erhalten in den neuen Verfahren zudem unentgeltliche Beratung und Rechtsvertretung. Asylgesuche, die bis zum 28.02.2019 eingereicht worden sind, werden gemĂ€ss altem Asylgesetz bearbeitet.
Ablauf des Asylverfahrens
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte des Asylverfahrens erklÀrt.
Das Asylgesuch
Als Asylgesuch gilt jede Ăusserung einer auslĂ€ndischen Person, mit der sie zu erkennen gibt, dass sie in der Schweiz Schutz vor Verfolgung sucht. Ein Asylgesuch ist die Voraussetzung fĂŒr ein Asylverfahren. Das Gesuch unterliegt im Gegensatz zum Asylverfahren keinen formellen Kriterien. Es kann mĂŒndlich oder schriftlich gestellt werden:
- in einem Bundesasylzentrum (BAZ)
- an einer Schweizer Grenzkontrolle
- bei der Grenzkontrolle eines Schweizer Flughafens
Alle Asylsuchenden werden einem Bundesasylzentrum zugewiesen, welches der Bund in sechs Asylregionen betreibt:
AltstĂ€tten (Asylregion Ostschweiz), Basel (Asylregion Nordwestschweiz), Chiasso (Asylregion Zentralschweiz und Tessin), Bern (Asylregion Bern), Boudry (Asylregion Westschweiz), ZĂŒrich (Asylregion ZĂŒrich).
SpezialfÀlle: HumanitÀres Visum oder Resettlement-Programme
Die Möglichkeit, ein Asylgesuch in einer Schweizer Botschaft im Ausland einzureichen, wurde 2012 abgeschafft.
Das humanitĂ€re Visum bietet eine Möglichkeit, aus humanitĂ€ren GrĂŒnden in die Schweiz einreisen zu können. In der Regel kann ein solches Visumsgesuch nur aus dem Herkunftsland, nicht aber aus DrittlĂ€ndern gestellt werden. In der Praxis erteilt die Schweiz nur sehr wenige humanitĂ€re Visa und legt die Kriterien Ă€usserst restriktiv aus: Eine Person muss unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefĂ€hrdet sein. FĂŒr ausgewĂ€hlte Personengruppen aus bestimmten Regionen der Welt, besteht auch die Möglichkeit an einem Resettlement-Programm teilzunehmen.
Spezialfall: Flughafenverfahren
Reist eine Person ĂŒber den Flughafen ZĂŒrich oder Genf ein und stellt ihr Asylgesuch im Transitbereich des Flughafens, gelten fĂŒr das Asylverfahren besondere Regeln (Art. 22 und 23 AsylG). In diesen FĂ€llen entscheidet das Staatssekretariat fĂŒr Migration (SEM) zuerst, ob die Einreise in die Schweiz bewilligt oder provisorisch verweigert wird. Beim Flughafenverfahren kann das Asylverfahren (inklusive Beschwerdeverfahren) in der Transitzone des Flughafens durchgefĂŒhrt werden.
Die Vorbereitungsphase
Nach der Einreichung des Asylgesuchs beginnt die Vorbereitungsphase. Die Vorbereitungsphase dauert im Dublin-Verfahren rund zehn Tage in den ĂŒbrigen Verfahren rund 21 Tage. In dieser Zeit werden die Personalien der asylsuchenden Person aufgenommen. Die FingerabdrĂŒcke werden erfasst, mit einer europĂ€ischen Datenbank abgeglichen und weitere biometrische Daten werden erhoben. Das SEM prĂŒft Beweismittel wie beispielsweise Reise- und IdentitĂ€tspapiere. Die Behörden können zusĂ€tzliche AbklĂ€rungen zur Herkunft und zur IdentitĂ€t der asylsuchenden Person in die Wege leiten. Zudem wird der medizinische Sachverhalt abgeklĂ€rt, wenn eine Person gesundheitliche Beschwerden geltend macht.
In der Vorbereitungsphase werden die Asylsuchenden von der unentgeltlichen Beratung in einem individuellen GesprĂ€ch ĂŒber den Ablauf des Asylverfahrens und ihre Rechte und Pflichten informiert. Die Beratenden stehen den Asylsuchenden zudem in einer Anlaufstelle fĂŒr Fragen und weitere AuskĂŒnfte zur VerfĂŒgung. Im ersten GesprĂ€ch mit der Rechtsvertretung wird eine Vertrauensbasis geschaffen, die ersten Verfahrensschritte werden vorbereitet sowie die Beweislage des Asylgesuchs besprochen.
Handelt es sich bei der asylsuchenden Person um eine*n unbegleitete*n MinderjĂ€hrige*n Asysuchende*n so findet als erster Verfahrensschritt eine kurze Erstbefragung statt. Bei einer grossen Zahl der erwachsenen Asylsuchenden findet ein Dublin-GesprĂ€ch statt. In diesem GesprĂ€ch prĂŒft das SEM, ob im Rahmen des Dublin-Systems ein anderer europĂ€ischer Staat fĂŒr die PrĂŒfung des Asylgesuchs zustĂ€ndig ist. Neben FingerabdrĂŒcken, die in einem anderen Staat registriert sind, können auch die Aussagen der asylsuchenden Person im GesprĂ€ch sowie frĂŒhere Visa zur ZustĂ€ndigkeit eines anderen Dublin-Staates fĂŒhren. Der asylsuchenden Person wird im GesprĂ€ch die Möglichkeit gegeben, sich dazu zu Ă€ussern. Dabei wird sie auch gefragt, ob GrĂŒnde gegen eine RĂŒckkehr in den zustĂ€ndigen Staat sprechen (rechtliches Gehör).
Bei der Erstbefragung und dem Dublin-GesprĂ€ch handelt es sich um die ersten offiziellen GesprĂ€che der asylsuchenden Personen mit dem SEM. Im Anschluss wird entschieden, ob ein Dublin-Verfahren oder ein beschleunigtes Verfahren durchgefĂŒhrt wird.
Das Dublin-Verfahren
Nach dem Dublin-GesprĂ€ch entscheidet das SEM, ob das Gesuch inhaltlich geprĂŒft werden muss. Ist ein anderer europĂ€ischer Staat fĂŒr diese PrĂŒfung zustĂ€ndig, erfolgt eine Anfrage zur Ăbernahme der Person. Ist der andere Staat bereit das Asylgesuch zu prĂŒfen oder der Staat gibt innert einer bestimmten Zeit keine Antwort, wird dieser Staat fĂŒr die Person zustĂ€ndig. In der Regel hat die Schweiz sechs Monate Zeit, um eine Ăberstellung zu vollziehen. Taucht eine Person unter, verlĂ€ngert sich die Frist auf 18 Monate.
Ist die Schweiz nicht fĂŒr die PrĂŒfung des Asylgesuchs zustĂ€ndig, tritt das SEM nicht auf das Gesuch ein und erlĂ€sst einen sogenannten Nichteintretensentscheid (NEE). In bestimmten FĂ€llen kann sich die Schweiz aus humanitĂ€ren GrĂŒnden selbst als zustĂ€ndig erklĂ€ren und die PrĂŒfung des Asylgesuchs ĂŒbernehmen (sogenanntes Selbsteintrittsrecht). Droht der Person im anderen Dublin-Staat aufgrund systemischer Schwachstellen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, ist die Schweiz dazu verpflichtet, das Gesuch selbst zu prĂŒfen. Ein Nichteintretensentscheid wird auch dann gefĂ€llt, wenn die asylsuchende Person in einen sogenannten sicheren Drittstaat zurĂŒckkehren kann (z.B. weil sie dort ĂŒber Asyl verfĂŒgt).
Beschleunigtes Asylverfahren
Ist die Schweiz fĂŒr die PrĂŒfung eines Asylgesuchs zustĂ€ndig, leitet das SEM das nationale, beschleunigte Asylverfahren ein. Im beschleunigten Verfahren können die Asylsuchenden im Rahmen einer Anhörung ihre FluchtgrĂŒnde detailliert schildern und den Behörden Beweismittel ĂŒbergeben (Polizeivorladungen, Gerichtsurteile, Arztzeugnisse, Fotos, Zeitungsartikel, etc.). Es mĂŒssen alle möglichen relevanten Aspekte untersucht werden. Die Anhörung und allfĂ€llige Beweismittel dienen als Grundlage fĂŒr den Asylentscheid. Die Anhörung durch das SEM findet in Anwesenheit einer Rechtsvertretung statt.
Nach der Anhörung prĂŒft die Behörde, ob die asylsuchende Person die FlĂŒchtlingseigenschaft erfĂŒllt, ob sie Asyl erhĂ€lt oder ob weitere GrĂŒnde bestehen, weshalb die Person nicht in ihr Heimat- oder Herkunftsland zurĂŒckkehren kann. Bei klarer Faktenlage wird innert acht Arbeitstagen ein erstinstanzlicher Asylentscheid im Bundesasylzentrum gefĂ€llt.
Erweitertes Verfahren
Personen, ĂŒber deren Asylgesuche nach der Anhörung nicht sofort entschieden werden kann, da weitere AbklĂ€rungen notwendig sind, werden dem erweiterten Verfahren zugeteilt. Der Bund weist diese Personen einem Kanton zu, welcher wĂ€hrend des weiteren Verlaufs des Verfahrens fĂŒr ihre Unterbringung zustĂ€ndig ist.
WĂ€hrend dieses Verfahrens kann sich die asylsuchende Person fĂŒr gewisse, sogenannte «entscheidrelevante» Verfahrensschritte fĂŒr Beratung und Vertretung unentgeltlich an eine dafĂŒr bezeichnete Rechtsberatungsstelle im entsprechenden Kanton wenden. In AusnahmefĂ€llen, wenn ein besonderes VertrauensverhĂ€ltnis besteht, bleibt die Rechtsvertretung des Bundesasylzentrums zustĂ€ndig. Dieses erweiterte Verfahren soll höchstens ein Jahr dauern und wird mit einem erstinstanzlichen Asylentscheid abgeschlossen.
Asylentscheid: Schutzstatus oder Wegweisung
Das SEM hat verschiedene Möglichkeiten, ĂŒber ein Asylgesuch zu entscheiden.
Bei einem positiven Entscheid wird die Person als FlĂŒchtling anerkannt und erhĂ€lt Asyl. Sie darf in der Schweiz bleiben und erhĂ€lt eine B-Bewilligung. Ist der Entscheid negativ, muss die Person die Schweiz verlassen, ausser es liegen Wegweisungsvollzugshindernisse vor. Ist dies der Fall, dann erhĂ€lt die Person eine Aufenthaltsbewilligung als vorlĂ€ufig aufgenommene*r AuslĂ€nder*in oder FlĂŒchtling. Wurde das Asylgesuch nur aus wirtschaftlichen oder medizinischen GrĂŒnden gestellt oder ist ein anderer Staat fĂŒr diePrĂŒfung des Asylgesuchs zustĂ€ndig, dann erlĂ€sst das SEM einen Nichteintretensentscheid mit Wegweisung aus der Schweiz.
Hier finden sich weitere Informationen zu den asylrechtlichen Ausweisen.
Beschwerde gegen den Asylentscheid
Wenn eine Person keinen Schutz erhalten hat, kann sie innerhalb der Beschwerdefrist beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einreichen. In den Dublin- und beschleunigten Verfahren wÀhrend des Aufenthalts in einem Bundesasylzentrum, wird die Person dabei von der ihr zugewiesenen Rechtsvertretung vertreten, sofern die Rechtsvertretung ihr Mandat nicht aufgrund von offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Beschwerde niederlegt. Im erweiterten Verfahren ist eine allfÀllige Beschwerde nicht Teil des unentgeltlichen Rechtsschutzes. Die asylsuchende Person oder eine Vertretungsperson, wie eine Mitarbeitende der Rechtsberatungsstelle, können bei einer Beschwerde ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und VerbeistÀndung stellen.
Die Beschwerdefrist betrĂ€gt in den Dublin-Verfahren fĂŒnf und im beschleunigten Verfahren sieben Arbeitstage. Im erweiterten Verfahren betrĂ€gt die Beschwerdefrist 30 Kalendertage. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet dabei als zweite und letzte Instanz. Dies bedeutet, dass eine betroffene Person gegen einen negativen Asylentscheid nur einmal Beschwerde erheben kann. Ausnahmen sind WiedererwĂ€gungs- und Revisionsverfahren, die aber in der Praxis nur selten erfolgreich sind.
DafĂŒr setzen wir uns ein
- Faire und einheitliche Asylverfahren: Die Asylverfahren aller in der Schweiz schutzsuchender Personen werden fair und einheitlich unter Wahrung ihrer Verfahrensrechte durchgefĂŒhrt und abgeschlossen.
- SorgfĂ€ltige Behandlung der Asylgesuche: Das SEM sorgt fĂŒr eine sorgfĂ€ltige Behandlung der Asylgesuche in der jeweils angemessenen Verfahrensform (beschleunigtes oder erweitertes Verfahren); QualitĂ€t hat Vorrang.
- Rechtsschutz: Der Rahmen fĂŒr einen wirksamen und qualitativ hochwertigen Rechtsschutz wird jederzeit eingehalten.
- Personen mit besonderen Rechten: Die BedĂŒrfnisse von Personen mit besonderen Rechten wie Kinder oder Opfer von Menschenhandel werden rasch identifiziert und auf kohĂ€rente und wirksame Weise angegangen. Ihre Rechte werden im Asylverfahren jederzeit berĂŒcksichtigt.
- Dialog: Der Dialog zwischen allen am Asylverfahren beteiligten Akteur*innen wird im Interesse der Asylsuchenden und der Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz gefördert.