Miriam Behrens, Direktorin SFH
Nur gerade 800 Flüchtlinge wollte die Schweiz letztes Jahr im Rahmen des Resettlement-Programms von UNHCR aufnehmen. Das ist angesichts der weltweiten Not deutlich zu wenig. Laut UNHCR sind rund 1.44 Millionen Flüchtlinge auf Resettlement angewiesen, weil sie weder in ihre Heimat zurückkehren, noch im Erstzufluchtsland ein neues Leben aufbauen können. Der Bedarf ist zunehmend. Die Anzahl der bereitgestellten Resettlement-Plätze hat in den letzten fünf Jahren hingegen stetig abgenommen. 2020 waren es weltweit weniger als 23’000 Flüchtlinge die durch das UNHCR-Resettlement Programm Schutz in einer neuen Heimat fanden. Den Allermeisten bleibt die Perspektive auf dauerhaften Schutz in einem Drittland verwehrt. Viele machen sich daher auf den gefährlichen Fluchtweg nach Europa. Darunter auch alleinstehende Frauen und unbegleitete minderjährige Kinder. Das ist inakzeptabel.
Resettlement: ein Programm für die verletzlichsten Flüchtlinge
Resettlement ist im Grunde genommen nichts anderes als ein legaler und sicherer Fluchtweg. Anerkannte Flüchtlinge erhalten dauerhaften Schutz in einem Drittland ohne sich dafür auf lebensgefährliche Routen begeben zu müssen. Über 80 Prozent der geflüchteten Menschen finden heute in Nachbarstaaten von Krisensituationen Zuflucht. Viele finden hier aber keinen oder nur unzureichenden Zugang zur lebensnotwendigen Grundversorgung und grundlegenden Rechten. Eine sichere Rückkehr ins Herkunftsland ist oftmals in absehbarer Zeit nicht möglich. Das Resettlement-Programm von UNHCR wurde geschaffen, um geflüchteten Menschen mit hohem Schutzbedarf aus dieser Notlage zu helfen und in ein sicheres Drittland umzusiedeln.
In der Covid-19-Pandemie sind Flüchtlinge besonders gefährdet, denn sie leben oft in überfüllten Räumen mit schlechtem Zugang zu Hygiene- und Sanitäreinrichtungen, sowie anderen Möglichkeiten sich vor dem Virus zu schützen. Umso dringender ist Resettlement. Über den Nutzen für die Betroffenen hinaus, haben Resettlement-Programme zudem eine wichtige strategische Bedeutung: sie tragen zur internationalen Solidarität bei und zur Entlastung der Erstzufluchtsländer, welche die grösste Verantwortung im globalen Flüchtlingsschutz tragen. Die Programme helfen, Schutz- und Versorgungskapazitäten in den Zufluchtsstaaten aufrechtzuerhalten. Die Aufnahmebereitschaft dieser Staaten langfristig zu bewahren, ist auch im Interesse der Schweiz. Ebenso interessieren dürfte die Tatsache, dass Resettlement-Programme zur Verringerung der irregulären Migration sowie zur Bekämpfung des Geschäftsmodells von Schleppern beitragen.
Resettlement 2022 - 2023: der Bundesrat muss das Kontingent erhöhen
Seit 2013 engagiert sich die Schweiz wieder im Resettlement-Programm von UNHCR. Sie hat bis Anfang 2020 rund 4‘300 besonders schutzbedürftige, vorab vom Syrienkonflikt betroffene Flüchtlinge aufgenommen, primär aus Libanon und Jordanien. Der Bundesrat beschloss am 30. November 2018 das Engagement der Schweiz fortzuführen. Für den Zeitraum 2020-2021 legte er am 29. Mai 2019 eine jährliche Quote von maximal 800 Plätzen fest. Die SFH begrüsst diesen wichtigen Schritt vorwärts – nicht zuletzt auch die sorgfältige Vorbereitung der Flüchtlingsaufnahme bei Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden.
Die Schweiz kann und soll mehr Hilfe als bisher leisten. Ideal wäre, das Resettlement-Programm als festen Bestandteil der Asyl- und Migrationspolitik gesetzlich zu verankern und sich damit langfristig zu verpflichten. Gemäss dem aktuell gültigen Resettlement-Konzept des Bundes kann der Bundesrat aber immerhin alle zwei Jahre ein Kontingent von maximal 2000 Flüchtlingen beschliessen. Dieses ohnehin bescheidene Kontingent sollte der Bundesrat aus Sicht der SFH voll ausschöpfen, wenn er im Frühjahr die Aufnahme-Zahlen für die Jahre 2022 bis 2023 festlegt. Denn die Diskrepanz zwischen globalem Resettlement-Bedarf und bereitgestellten Plätzen wächst weiter. Angesichts der grossen Nachfrage, der anhaltend tiefen Asylgesuchszahlen und der breiten Unterstützung hierzulande ist die Aufnahme von 1’000 Resettlement-Flüchtlingen pro Jahr ein Minimum.
Es braucht insbesondere vermehrt Aufnahmen von Flüchtlingsgruppen aus den Krisen- und Gefahrenregionen entlang der Fluchtrouten. Unbegleitete Kinder, alleinstehende Mütter mit Kindern, Flüchtlinge mit Behinderungen sowie LGBTQI-Flüchtlinge sollten dabei Priorität erhalten.
Mehr Soforthilfe in Krisen
Die Schweiz reserviert jeweils einen Teil ihrer Kontingente, um in akuten Krisensituationen und bei besonderen Härtefällen schutzbedürftigen Flüchtlingen schneller wirksamen Schutz zu ermöglichen. Der Bundesrat sollte von dieser Möglichkeit mehr Gebrauch machen. Zwischen 2018 und 2019 hat die Schweiz etwa 115 Flüchtlinge aufgenommen, die aus Libyen nach Niger evakuiert wurden – namentlich auch unbegleitete Minderjährige. Sie waren in libyscher Gefangenschaft oftmals extremen Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Vergewaltigung und Versklavung ausgesetzt. Dieses begrüssenswerte Engagement sollte rasch wiederaufgenommen und ausgeweitet werden.
Es ist nun am Bundesrat, das Schweizer Engagement der kommenden Jahre im Resettlement festzulegen. Ich hoffe sehr, er entscheidet im Sinne der humanitären Tradition der Schweiz und gibt geflüchteten Menschen eine Chance auf eine sichere Existenz und eine Zukunft für sich und ihre Familie – hier bei uns.