Uneigennützige Hilfe für Geflüchtete bleibt strafbar

05. März 2020

Wer in der Schweiz Geflüchteten in einer Notsituation uneigennützig hilft, wird weiterhin bestraft. Der Nationalrat lehnt einen Vorstoss zur Abschaffung des sogenannten «Solidaritätsdelikts» ab. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) bedauert den Entscheid. Nothilfe aus humanitären Gründen darf nicht kriminalisiert werden.

Hilfe für Geflüchtete aus humanitären Gründen soll laut Nationalrat weiterhin strafbar sein. Der Nationalrat stimmte gegen die parlamentarische Initiative Mazzone, die forderte Artikel 116 des Ausländergesetzes (AIG) so anzupassen, dass Personen, die Hilfe leisten, sich nicht strafbar machen, wenn sie dies aus achtenswerten Gründen tun. Die SFH bedauert den Entscheid. Denn Bürgerinnen und Bürger, die Menschen in einer Notlage uneigennützig unterstützen, handeln aus Solidarität und dürfen deswegen nicht kriminalisiert werden.

Es ist unverständlich, dass der Nationalrat an der heutigen Regelung festhält. Denn diese widerspricht der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers: Das erklärte Ziel des Gesetzesartikels von 1948 war die Bekämpfung des Schlepperwesens. Davon ausgenommen wurde explizit die Hilfe für in die Schweiz Geflüchtete aus achtenswerten Beweggründen. Erst mit der 2008 in Kraft getretenen Totalrevision des Ausländergesetzes, wurde diese Straffreiheit aufgehoben. Seither kam es laut Bundesamt für Statistik zu rund 10’000 Verurteilungen für eine Straftat nach Art. 116 AIG. Viele dieser Verurteilten haben aus rein humanitären Gründen gehandelt. So wurde beispielsweise Pfarrer Norbert Valley 2018 von der Neuenburger Justiz verurteilt, weil er einen Mann aus Togo, der sich illegal in der Schweiz aufhielt, beherbergte und verpflegte. Die Menschenrechtsverteidigerin Anni Lanz wurde 2018 vom Walliser Kantonsgericht verurteilt, weil sie in Domodossola einem afghanischen Asylsuchenden half, der sich ein einer Notlage. Sie brachte den Mann zurück in die Schweiz.

Beide Fälle verdeutlichen, dass die heutige Norm Hilfeleistende kriminalisiert, selbst wenn diese minderjährigen oder besonders verletzlichen Personen beistehen. Schlimmer noch, die Regelung setzt Helferinnen und Helfer, die Menschen in Not uneigennützig unterstützen, mit Schleppern gleich.

Restriktive Praxis

Die heutige Praxis zu Art. 116 AIG ist vergleichbar mit der rigiden Kriminalisierungspraxis in Ungarn, Bulgarien oder Rumänien. Die Schweiz ist mit ihrer sehr restriktiven Gesetzgebung zunehmend ein Sonderfall: Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich, die Niederlande, Luxemburg, Schweden, Portugal, die Tschechische Republik, Polen, Rumänien, Malta und Zypern sehen Straffreiheit vor, wenn die Beihilfe zum illegalen Aufenthalt aus humanitären Motiven erfolgte. Eine Strafe wird nur in Fällen ausgesprochen, in denen mit Bereicherungsabsicht gehandelt wurde. Auf internationaler Ebene hält das UNO-Protokoll gegen die Schleusung von Migranten fest, dass nur eine Straftat vorliegt, wenn die Handlungen zum Zweck der Erlangung eines materiellen oder finanziellen Nutzens begangen wurden. Im Schengen/Dublin-Raum sieht die auch für die Schweiz verbindliche EU-Beihilferichtlinie explizit eine humanitäre Ausnahmeregelung vor.

Der Entscheid des Nationalrats setzt aus Sicht der SFH ein völlig falsches Zeichen: Wer Geflüchteten in einer Notsituation uneigennützig hilft, sollte im Rechtsstaat nicht riskieren müssen, dafür strafrechtlich verfolgt und bestraft zu werden.

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