Text und Foto: Barbara Graf Mousa, Redaktorin Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH
Kathrin Hüppi ist seit 16 Jahren Co-Schulleiterin am Oberstufenzentrum der Gemeinde Rapperswil im Kanton Bern. Dort werden zwischen 160 und 180 Jugendliche vom siebten bis neunten Schuljahr auf Sekundar- und Realstufe von rund 20 Lehrpersonen unterrichtet. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus drei ländlichen Gemeinden und legen ihren Schulweg von bis zu 8 Kilometern mehrheitlich mit dem Velo zurück. In dieser Gegend leben wenig Migrantinnen und Migranten. Hin und wieder werden den Gemeinden mit 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern Asylsuchende zugeteilt.
Kathrin Hüppi, gibt es Schnittstellen zwischen der Schule und geflüchteten Menschen?
Die Jugendlichen gehen mit der zweiten Generation von Geflüchteten aus Ex-Jugoslawien und aus Sri Lanka zur Schule, ansonsten gibt es kaum Kontaktmöglichkeiten. Die Gemeinde Grossaffoltern beherbergt manchmal Flüchtlingsfamilien, zuletzt hatten wir ein Brüderpaar aus Somalia. Vermehrt kommen auch Kinder aus Mischehen zu uns zur Schule, wobei zum Beispiel der Vater oder die Mutter aus einem afrikanischen Land und der Partner oder die Partnerin aus der Schweiz stammt.
Wie nutzen Sie die SFH-Bildungsangebote?
Wir buchen jedes Jahr den SFH-Projekthalbtag «Flucht und Asyl». Alle Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse durchlaufen dabei das Simulationsspiel, worin sie in die Rolle eines Menschen auf der Flucht schlüpfen. Danach hören sie die Fluchtgeschichte authentisch erzählt von einer Flüchtlingsperson.
Wie reagieren Ihre Schülerinnen und Schüler auf die SFH-Kurse? Gelingt die Sensibilisierung?
Dazu muss ich etwas ausholen. Wir sind in einem ländlichen Gebiet, wo es kaum Begegnungen mit Fremden gibt. Mehr oder weniger latenter Rassismus kommt immer wieder vor. Wir wissen nicht genau warum. Vermutlich stecken Vorurteile und Ängste dahinter. Wir hatten deshalb vor Jahren einmal eine sehr schwierige Stimmung in einer neunten Klasse. Fremdenfeindliche Sprüche, Respektlosigkeit gegenüber Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen waren an der Tagesordnung.
Unsere Schule hat aber den Auftrag, den respektvollen Umgang zu fördern. Wir möchten diesen Grundsatz leben, damit hier ein positives Lernklima herrscht. Auf der anderen Seite haben die Schülerinnen und Schüler das Recht und die Pflicht, Bildung zu erhalten. Was tun in einer solchen Situation? Wir haben vieles ausprobiert, aber schliesslich waren die zwei SFH-Bildungsmodule mit dem Simulationsspiel und der Fluchtgeschichte am effektivsten und haben uns wirklich unterstützt. Die Jugendlichen haben mitgemacht und es hat etwas mit ihnen gemacht. Sie denken nach, diskutieren anders über Ausländerinnen und Ausländer. Wir Lehrpersonen merken, dass der Halbtag bei den Jugendlichen das Verständnis für die Situation von Asylsuchenden und Flüchtenden eindeutig fördert.
Was bewirkt das Simulationsspiel?
Beim Simulationsspiel können die Schülerinnen und Schüler körperlich und gefühlsmässig erleben, wie es einem Menschen auf der Flucht ergeht. Im Rollenspiel sind sie selber aktiv, übernehmen Verantwortung, müssen Entscheidungen treffen. Die SFH-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einige sind ja selber geflüchtet, machen das hervorragend und gestalten es packend und intensiv. Aus den Auswertungen, die wir nachher mit den Schülerinnen und Schülern machen, geht hervor, dass dies an den Jugendlichen haften bleibt und sie darüber reflektieren.