Frontex: Abwehr um jeden Preis

15. August 2019

Die europĂ€ische Grenzschutzagentur Frontex ist umstritten. Wiederholt stand sie in der Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen an den EU-Aussengrenzen. Interne Papiere beweisen, dass die EU-Agentur ĂŒber das gewaltsame Vorgehen europĂ€ischer Grenzbeamter gegen Schutzsuchende Bescheid wusste.

Abschreckung, Abwehr, Abschottung – Europa macht seine Grenzen dicht und tritt Menschenrechte mit FĂŒssen. Es kommt an den EU-Aussengrenzen regelmĂ€ssig zu Gewalt, Elend, Tod. Eine zentrale Rolle spielt dabei Frontex, die europĂ€ische Grenz- und KĂŒstenwache.

Die jĂŒngsten Medienberichte von exzessiver Gewaltanwendung und Misshandlungen Schutzsuchender an den EU-Aussengrenzen ĂŒberraschen daher kaum, Berichte von Push-Backs und anderen Menschenrechtsverletzungen liegen seit Jahren vor. Die SFH verurteilt diese massiven Verletzungen der Grundrechte scharf. Schutzsuchenden wird damit der Zugang zu einem Asylverfahren verweigert. Um Asyl zu ersuchen ist ein Menschenrecht. Es gilt fĂŒr alle Personen, unabhĂ€ngig davon wie sie eingereist sind.

Schweiz ist mit involviert

Als an Frontex beteiligter Staat trĂ€gt die Schweiz Mitverantwortung fĂŒr die bedenklichen VorgĂ€nge an den EU-Aussengrenzen. Sie sollte ihre Zusammenarbeit mit Frontex dazu nutzen, sich fĂŒr die Einhaltung und Priorisierung der Menschenrechte stark zu machen. Die Schweiz muss sich fĂŒr eine menschenrechtliche Kontrolle und Klagemöglichkeiten im Fall von Menschenrechtsverletzungen einsetzen. Denn es braucht einen institutionell unabhĂ€ngigen Beschwerdemechanismus, der fĂŒr Opfer leicht zugĂ€nglich ist und der rechtlich bindende Entscheidungen treffen kann. In FĂ€llen, in denen Menschen bei Frontex-EinsĂ€tzen zu Tode kommen, mĂŒssen zwingend strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.

Die Schweiz ist als Schengen/Dublin-Mitglied eng in die Migrationspolitik der EU eingebunden – und damit seit 2009 auch finanziell und operativ direkt an Frontex beteiligt. Das Schweizerische Grenzwachtkorps nimmt an Ausbildungsprogrammen teil, an der Mitarbeit bei der Erstellung von Risikoanalysen, sowie an Operationen an den Aussengrenzen des Schengen-Raumes. Rund 40 Mitarbeitende des Schweizerischen Grenzwachtkorps werden jedes Jahr an Europas Aussengrenzen entsendet. Schweizer Beamte sind in Griechenland, Italien, Bulgarien, Kroatien und Spanien fĂŒr Frontex tĂ€tig. Insgesamt leisteten Schweizer GrenzwĂ€chter, Kantonspolizisten und Mitarbeitende des Staatssekretariats fĂŒr Migration im vergangenen Jahr fast 1500 Einsatztage. Zugleich unterstĂŒtzte die Schweiz Frontex 2018 mit rund 14 Millionen Franken – rund sechs Mal mehr als noch vor zehn Jahren.

Frontex wÀchst unkontrolliert

Frontex wurde im Jahr 2004 zur Erleichterung und Koordinierung der operativen Zusammenarbeit und zur UnterstĂŒtzung der Grenzkontrollen gegrĂŒndet. Frontex ĂŒberwacht und kontrolliert mit europĂ€ischen Polizeieinheiten die Aussengrenzen der EU. In den vergangenen Jahren hat Frontex seine AktivitĂ€ten an den EU-Aussengrenzen stetig ausgebaut und ist zum zentralen Instrument der europĂ€ischen Abwehrpolitik geworden. Im Mai 2019 startete Frontex in Albanien zum ersten Mal einen Einsatz ausserhalb der EU. Frontex ist massiv angewachsen und wĂ€chst weiter. Bei ihrer GrĂŒndung verfĂŒgte Frontex ĂŒber ein Budget von sechs Millionen Euro. Bis 2021 soll das Budget auf 1,6 Milliarden Euro ansteigen. Die Zahl der Frontex-Mitarbeitenden fĂŒr den Grenzschutz soll von 1‘500 auf kĂŒnftig 10‘000 wachsen. Im gleichen Zug wird Frontex unabhĂ€ngiger von den EU-Mitgliedsstaaten. So dĂŒrfen Frontex-Beamte neuerdings selbststĂ€ndig Kontrollen an Grenzen vornehmen und Personendaten sammeln. Aus Sicht der SFH ist diese Entwicklung besorgniserregend. Denn Frontex ist in einem Bereich tĂ€tig, der in Bezug auf Menschenrechte sehr sensibel ist. Eine unabhĂ€ngige menschenrechtliche Kontrolle oder Klagemöglichkeiten gibt es bei Frontex jedoch nicht.

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