In Brüssel beraten heute die EU-Innen- und Justizminister*innen der EU, wie sie mit den anhaltenden Fluchtbewegungen aus der Ukraine umgehen sollen und wie die benachbarten Erstaufnahmeländer unterstützt werden können. Am Treffen nimmt auch die Schweizer Justizministerin Karin Keller-Sutter teil.
Die SFH fordert die EU auf, umgehend den für solche humanitären Notlagen geschaffenen Mechanismus zum vorübergehenden Schutz der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu aktivieren und deren Verteilung auf andere europäische Länder zu ermöglichen. Die Schweiz soll sich daran beteiligen und dafür den im Asylgesetz vorgesehenen Schutzstatus S entsprechend der aktuellen Situation ausgestalten.
EU-Notfallmechanismus aktivieren
Damit das unbürokratische Verfahren in der EU genutzt werden kann, müssen beim heutigen Ministertreffen mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen. Die Anwendung der entsprechenden EU-Richtlinie ermöglicht dann in erster Linie zweierlei:
- Kriegsvertriebene, die in Anrainerstaaten der Ukraine geflüchtet sind, können von anderen EU-Ländern solidarisch aufgenommen und so die Erstaufnahmeländer entlastet werden (vergleichbar mit Relocation-Programmen). Zentral ist dabei aus Sicht der SFH, dass in allen EU-Staaten der Zugang zu Asylverfahren und adäquate Aufnahmebedingungen für alle Kriegsvertriebenen diskriminierungsfrei gewährleistet sind.
- Den Vertriebenen, die wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine in die benachbarten EU-Länder flüchten, kann unverzüglich und unkompliziert vorübergehender Schutz mit bestimmten Mindeststandards gewährt werden. Dazu gehören etwa eine Arbeitserlaubnis, Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung und Bildung für Minderjährige sowie die Möglichkeit zur Familienzusammenführung, die über die Kernfamilie hinausgehen kann. Die Umsetzung dieser Standards erfolgt jeweils nach nationalem Recht.
Schweiz soll sich beteiligen
Die Schweiz kann und soll sich an diesem EU-Notfallmechanismus beteiligen und den betroffenen Kriegsvertriebenen mittels Status S unkompliziert Schutz gewähren. Der Bundesrat hat seine Bereitschaft dazu bereits signalisiert, nun gilt es, konsequente Taten folgen zu lassen.
Der Status S wurde 1998 eingeführt als Reaktion auf die Fluchtbewegungen im Zuge der Balkankriege. Er ermöglicht eine rasche vorübergehende Schutzgewährung, ist bislang in der Praxis aber noch nie angewendet worden.
Gleichbehandlung sicherstellen
Deshalb ist es aus Sicht der SFH zwingend notwendig, dass der Bundesrat dessen Anwendung präzisiert und zeitgemäss ausgestaltet, um innerhalb Europas eine Gleichbehandlung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu gewährleisten. Zu beachten sind bei der Umsetzung daher gemäss SFH-Analyse insbesondere folgende Punkte:
- Die Anwendung des Status S verlangt nach einer vorgängigen Definition der Zielgruppe durch den Bundesrat. Diese muss so ausgestaltet werden, dass den Kriegsflüchtlingen bei Bedarf auch der Zugang zum Asylverfahren möglich bleibt. Der Schutzstatus S sollte also gelten für «Personen, die aufgrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine das Land verlassen mussten und kein individuelles Asylgesuch stellen möchten».
- Die auf europäischer Ebene garantierten Mindeststandards müssen auch in der Schweiz gewährleistet sein. So ist namentlich die Familienzusammenführung analog zur EU-Richtlinie grosszügig zu ermöglichen – und nicht nur für die Kernfamilie
- Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll bereits vor der Wartefrist von 3 Monaten gewährt werden.
- Für die Betroffenen sollen Integrationsleistungen vorgesehen und die dazu notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Da Verlauf und Dauer des Ukraine-Kriegs derzeit noch nicht absehbar sind und zumindest mit der Möglichkeit einer langfristigen Konfliktsituation gerechnet werden muss, sind bei der Ausgestaltung der Schutzgewährung die längerfristigen Perspektiven für die Betroffenen auf einen stabilen Aufenthalt und Integration angemessen zu berücksichtigen.
Eliane Engeler
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