Der neue Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) will künftig Asylgesuche in den Bundesasylzentren (BAZ) nur noch unter der Woche zulassen. Diese Massnahme soll offenbar für alle Flüchtlingsgruppen gelten. Nur vulnerable Asylsuchende sollen dann am Wochenende noch aufgenommen werden, wobei völlig unklar bleibt, wie etwa kranke oder traumatisierte Menschen oder Opfer von Menschenhandel so schnell zuverlässig erkannt werden sollen. Als Grund dafür nennt Bundesrat Jans einen Missbrauch der Asylstrukturen. Er beruft sich dabei auf das Staatssekretariat für Migration (SEM), das festgestellt habe, dass insbesondere Asylsuchende aus Algerien, Tunesien und Marokko die BAZ «regelmässig als vorübergehende Unterkunft an den Wochenenden» nutzen würden. Einen zahlenmässigen Beleg für den Umfang des Problems bleiben indes der Bundesrat wie das SEM in ihrer Kommunikation schuldig.
Massnahmen widersprechen den Grundsätzen des Asylrechts
Die SFH lehnt diese Einschränkung des Flüchtlingsschutzes kategorisch ab. Sie widerspricht den Grundsätzen des Schweizer Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention: Der Zugang zu einem Asylverfahren und zu einer angemessenen Unterkunft muss allen Asylsuchenden ohne Ausnahme jederzeit gewährt werden - unabhängig davon, wie viel Erfolgsaussichten ihr Gesuch hat.
Mit einer solch massiven Einschränkung des Asylrechts dürfen die Asylstrukturen des Bundes nicht auf Kosten der Schutzsuchenden entlastet werden. Stattdessen sind die Behörden aus Sicht der SFH gehalten, ihre personellen Ressourcen so einzusetzen, dass die Möglichkeit einer Gesuchstellung für alle Schutzsuchenden jederzeit gewährleistet bleibt. Zugleich darf es nicht sein, dass Schutzsuchende abgewiesen und der Obdachlosigkeit überlassen werden.
Anspruch auf Verfahren und Rechtsschutz
Weiter sollen Asylsuchende aus Herkunftsstaaten mit sehr geringen Aussichten auf Asylanerkennung gemäss Bundesrat Jans künftig ihr Asylgesuch zusätzlich vorab schriftlich begründen müssen – dies ohne Kenntnis des schweizerischen Rechtssystems und ohne Rechtsbeistand. Auch das lehnt die SFH klar ab, insbesondere dürfen Asylsuchende nicht aufgrund der verlangten schriftlichen Begründung abgewiesen werden. Asylgründe abzuklären und zu verifizieren ist eine Kernfunktion des Asylverfahrens. Nur so kann der Schutzbedarf korrekt abgeklärt werden. Bringt eine Person zum Ausdruck, dass sie in der Schweiz um Schutz ersucht, so ist dies als Asylgesuch zu behandeln und ein ordentliches Verfahren mit einem Rechtsbeistand einzuleiten. Daran ist aus Sicht der SFH unbedingt festzuhalten – eine rechtliche Anpassung, wie sie das SEM nun prüfen will, lehnt die SFH ab.
24-Stunden-Verfahren zuerst evaluieren
Kritisch steht die SFH schliesslich auch dem 24-Stunden-Verfahren gegenüber, das bis Ende April schweizweit eingeführt werden soll. Das seit 2019 geltende beschleunigte Asylverfahren ist ohnehin schon sehr eng getaktet. Mit einer weiteren Beschleunigung besteht die Gefahr, dass die Asylgesuche und die Fluchtgründe nicht gründlich abgeklärt werden und es zu Fehlentscheiden kommt. Das kann für Geflüchtete schwerwiegende Konsequenzen haben.
Hinzu kommt, dass das 24-Stunden-Verfahren bisher zwar im BAZ Zürich getestet, aber nicht evaluiert wurde. Jedes Pilotprojekt bedarf aus Sicht der SFH aber zuerst einer unabhängigen externen Evaluation, um die effektiven Folgen einer Massnahme und insbesondere deren Auswirkungen auf die Rechte der Geflüchteten beurteilen zu können. Die SFH fordert Bundesrat und SEM deshalb dazu auf, zuerst eine quantitative und qualitative Evaluation vornehmen zu lassen, ehe das 24-Stunden-Verfahren voreilig schweizweit angewendet wird.
Sollte es effektiv Probleme aufgrund einer zahlenmässig relevanten missbräuchlichen Nutzung der Bundesasylzentren geben, sind dafür andere Massnahmen als die Einschränkung des Asylrechts für alle vorzusehen.
Lionel Walter
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