Handydaten: unnötige Einschränkung der Grundrechte von Schutzsuchenden

20. Januar 2021

Handy- und Computerdaten von Asylsuchenden sollen zwecks Identitätsabklärungen ausgewertet werden dürfen. Der Bundesrat empfiehlt eine entsprechende Gesetzesvorlage im Parlament zur Annahme. Aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) stellt die Gesetzesvorlage jedoch einen unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre der Schutzsuchenden dar.

Der Bundesrat empfiehlt dem Parlament, die Gesetzesvorlage zur Überprüfung von elektronischen Datenträgern im Asylverfahren anzunehmen. Die Vorlage geht zurück auf die parlamentarische Initiative, welche verlangt, dass die Schweizer Behörden in Zukunft systematisch auf Smartphones, Tablets, Laptops oder andere Datenträger von Asylsuchenden zugreifen können, um die Identität und Staatsangehörigkeit der Betroffenen zu klären. Die SFH lehnt die Vorlage ab, denn sie greift unverhältnismässig stark in die Privatsphäre der Asylsuchenden ein. Die Stellungnahme des Bundesrats wiederholt im Wesentlichen die Argumentation der Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N), welche den Gesetzesentwurf erarbeitet hat.

Die Auswertung persönlicher Datenträger ist ein schwerwiegender Eingriff in das Recht der Schutzsuchenden auf Privatsphäre. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat grundsätzliche Bedenken geäussert und insbesondere bezweifelt, dass die vorgeschlagenen Massnahmen tatsächlich geeignet sind, die gewünschte Wirkung zu erzielen. Auch der Bundesrat anerkennt, dass die Datenauswertung ein schwerwiegender Grundrechtseingriff darstellt und bestätigt, dass zur Einhaltung des Verhältnismässigkeitsprinzips keine systematische Auswertung von Datenträgern erfolgen darf. Aus Sicht der SFH ist mit der Formulierung zur Verhältnismässigkeit im Gesetzesentwurf jedoch nicht ausreichend sichergestellt, dass es in der Praxis nicht trotzdem zu einer systematischen Auswertung von Datenträgern kommt.

Fragliche Wirksamkeit

Die systematische Auswertung von elektronischen Datenträgern führt zu sehr hohen Kosten, welche in keinem Verhältnis zum beschränkten Nutzen stehen. Der Bundesrat räumt ein, dass die Wirksamkeit und Geeignetheit der Auswertung der elektronischen Datenträger von Asylsuchenden zum heutigen Zeitpunkt nicht abschliessend beurteilt werden können. Er stimmt somit den Bedenken des EDÖB in punkto Verhältnismässigkeit zu, nimmt diese jedoch nicht genügend ernst. Ausdruck davon ist der Verweis auf das Pilotprojekt, das aus Sicht der SFH keinen relevanten Nutzen im Verhältnis zur Schwere des Eingriffs und den entstehenden Kosten nachweisen konnte. Darüber hinaus zeigte das Pilotprojekt auch, dass die beschränkte Auswertung nicht sichergestellt ist. Denn im Rahmen des Projekts wurden bereits systematisch Daten zum Reiseweg ausgewertet, obwohl es dazu keinen Auftrag gab. Zudem ist aus Sicht der SFH der Verweis auf die Berichterstattung nach drei Jahren nicht ausreichend, um das Vorhaben zu rechtfertigen. Angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs ist es nicht akzeptabel, Asylsuchende per Gesetzesänderung versuchsweise dieser Massnahme auszusetzen, wenn die Verhältnismässigkeit nicht von Beginn an zweifelsfrei feststeht.

Asylsuchende haben bereits heute eine gesetzliche Mitwirkungspflicht im Verfahren. Sie können dazu auch freiwillig Handy- und Computerdaten als Beweismittel geltend machen – etwa Fotos, die ihre Flucht dokumentieren, oder Korrespondenzen. Zudem nutzt das Staatssekretariat für Migration (SEM) bereits jetzt niederschwelligere Prüfverfahren wie etwa die öffentlich zugänglichen Social-Media-Profile, die vollauf genügen und das Recht auf Privatsphäre nicht tangieren.

Die Vorlage geht als nächstes an die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) und danach an den Nationalrat. Die SFH empfiehlt der SPK-N und dem Nationalrat, nicht darauf einzutreten.

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