Die Verhandlungsteams des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedstaaten haben sich auf einen neuen Pakt zu Migration und Asyl geeinigt, der den Zugang zu fairen Asylverfahren stark einschränkt und geflüchtete Menschen weitgehend entrechtet. Die SFH hat die Entstehung des EU-Pakts von Beginn an kritisch begleitet und kommentiert. Gemeinsam mit ihrem europäischen Dachverband European Council on Refugees and Exiles (ECRE) hat sie wiederholt auf die problematischen Aspekte des Reformpakets für die künftige gemeinsame Europäische Asyl- und Migrationspolitik hingewiesen.
Sie kritisiert, dass mit dem Pakt auf Kosten des dringend nötigen Schutzes für Geflüchtete massive Verschärfungen eingeführt werden. Zu den Kernelementen der Reform gehören unzulängliche Schellverfahren an den EU-Aussengrenzen, der Abbau fundamentaler Schutz- und Verfahrensgarantien und eine verstärkte Kooperation mit vermeintlich sicheren Drittstaaten.
Systematische Internierung an Aussengrenzen
Der EU-Pakt führt Schnellverfahren an den EU-Aussengrenzen ein, primär für Asylsuchende aus Herkunftsländern mit niedrigen Anerkennungsquoten. Bei diesen Grenzverfahren droht die systematische Internierung von Geflüchteten in Massenhaftlagern während des gesamten Verfahrens von der Registrierung bis zur Rückführung – selbst von Familien und Kindern. Die EU macht damit faktisch den gescheiterten «Hotspot»-Ansatz zur Norm, der zu den menschenunwürdigen Flüchtlingslagern wie etwa in Griechenland geführt hat.
Der Kern des Dublin-Systems – die Zuständigkeit jenes Staates, in den eine asylsuchende Person zuerst eingereist ist – bleibt derweil weitgehend unangetastet, obschon dies zu einer äusserst ungleichen Aufteilung der Verantwortung und Lasten unter den europäischen Ländern führt.
Die SFH ist überzeugt, dass der EU-Pakt die Probleme des aktuellen Dublin-Systems nicht lösen wird. Vielmehr dürfte der Druck auf exponierte Staaten an den Schengen-Aussengrenzen wie Italien oder Griechenland sogar noch zunehmen. Sollte der Pakt tatsächlich so umgesetzt werden, braucht es aus Sicht der SFH mehr denn je ein wirkungsvolles solidarisches Umverteilungssystem mit Umsiedlungen (engl. relocations) von Asylsuchenden aus den Grenzstaaten. Doch der EU-Pakt verschafft den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, sich genau davon loszukaufen.
Es braucht Tatbeweis der Solidarität
Der Bundesrat signalisierte den europäischen Partnern im vergangenen Juni, dass sich die Schweiz mit anderen Dublin-Ländern solidarisch zeigen wolle. Die SFH begrüsst diese Absicht. Sie fordert die Schweiz dazu auf, den Worten auch Taten folgen zu lassen und sich – wie schon bei früherer Gelegenheit – an einer europäischen Lösung zur Umsiedlung von Schutzsuchenden zu beteiligen. Ausserdem soll sie das Selbsteintrittsrecht vermehrt anwenden, um die Staaten an der EU-Aussengrenze zu entlasten. Daneben braucht es aber vor allem mehr Solidarität mit schutzsuchenden Menschen. Weil mit dem EU-Pakt die Abschottung Europas weiter zunehmen wird, muss die Schweiz mehr reguläre Zugangswege schaffen, über die schutzbedürftige Menschen sicher und unversehrt nach Europa und in die Schweiz einreisen können. Ein erster wichtiger Schritt dazu wäre so bald wie möglich die Wiederaufnahme des derzeit sistierten Resettlement-Programms.
Eliane Engeler
Mediensprecherin
- Telefon: +41 31 370 75 15
- Zentrale: +41 31 370 75 75
- E-Mail: media@fluechtlingshilfe.ch