Fast 700 Geflüchtete sind allein seit Jahresbeginn im Mittelmeer ertrunken. Letztes Jahr starben laut UNHCR insgesamt rund 2’300 Menschen bei der gefährlichen Flucht über das Mittelmeer. Das tragische Unglück vor der Küste Libyens gestern macht deutlich: das Versagen Europas angesichts des Sterbens im Mittelmeer wird zunehmend sichtbar. Die Schaffung eines dauerhaften Mechanismus zur solidarischen Verteilung der Schutzsuchenden ist seit Jahren blockiert. Der kleinste gemeinsame Nenner ist die Abwehr von Geflüchteten. Dafür opfert Europa selbst den Schutz fundamentaler Menschenrechte und nimmt den Tod tausender Menschen billigend in Kauf.
Die Schweiz hat bislang keine aus Seenot geretteten Menschen aufgenommen und sich hinter dem Fehlen einer gesamteuropäischen Lösung versteckt. Das ist beschämend und unhaltbar. Die SFH fordert die Schweiz auf, sich zu beteiligen an einer Koalition von willigen europäischen Staaten zur Seenotrettung. Es muss verhindert werden, dass die Verhandlungen über deren Aufnahme bei jedem Boot neu geführt werden müssen. Ein geordnetes Verfahren ist dringend nötig, um die Geflüchteten auf die aufnahmebreiten Staaten solidarisch zu verteilen.
Die Schweiz als sicherer Hafen
Die Schweiz muss sich daran beteiligen und als sicherer Hafen ein Zeichen gegen die Abwehrpolitik Europas setzen, die mit Menschenleben spielt. Die Schweiz hat sich der internationalen Solidarität und dem Flüchtlingsschutz verschrieben und sollte bei der freiwilligen Aufnahme von Geretteten eine Vorreiterrolle spielen. Angesichts der tiefen Asylgesuchzahlen in der Schweiz hat unser Land dafür die erforderlichen Möglichkeiten und Kapazitäten.
Die SFH fordert die Schweiz weiter auf, sich für den Aufbau eines europäisch organisierten Seenotrettungssystems zu engagieren und sich daran finanziell zu beteiligen. Die Seenotrettung durch private Hilfsorganisationen wurde nur nötig, weil die europäischen Staaten ihre völkerrechtliche Verantwortung nicht wahrnahmen. Doch Seenotrettung und Flüchtlingsschutz sind staatliche Aufgaben, die Verantwortung dafür dürfen die EU und die Schweiz nicht länger auf zivile NGO abwälzen.
Die Lage in Libyen ist katastrophal. Geflüchtete werden dort systematisch gefoltert, versklavt und vergewaltigt. Die Schweiz muss sich für einen sofortigen Stopp der Rückführungen nach Libyen einsetzen, denn diese verstossen gegen das Non-Refoulement-Gebot als zwingendes Völkerrecht. Sie sollte auch die Bemühungen des UNHCR zur Evakuierung von Flüchtlingen aus Libyen unterstützen, indem sie zusätzlich zu den bereits beschlossenen Resettlement-Kontingenten weitere Flüchtlingsgruppen aus Libyen aufnimmt.
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