«Wir werden hier gleich von zwei Seiten her unter Druck gesetzt.»

Firuze M. aus dem Iran lebt mit ihrem Mann und dem 10jährigen Sohn seit Ende 2022 in der Schweiz. Das Asylgesuch der Familie wurde unlängst abgewiesen. Firuze M. stiess im April 2024 zum Flüchtlingsparlament. Million H. kam als minderjähriger Asylsuchender vor acht Jahren aus Eritrea in die Schweiz, wo er eine vorläufige Aufnahme erhielt. Er arbeitet beim Eritreischen Medienbund und bei Migrant Solidarity Network mit. Gemeinsam mit anderen Betroffenen hat er eine WhatsApp-Gruppe für vorläufig aufgenommene Eritreer*innen initiiert, die sich gegen die Passbeschaffungspflicht zwecks Erhalt einer Härtefallbewilligung wehren. Im Flüchtlingsparlament engagiert sich Million H. seit April 2024 in einer Kommission, die sich für dasselbe Anliegen einsetzt.

Interview: Annelies Müller, Redaktorin SFH

Warum nehmen Sie an der Flüchtlingssession teil? 

Firuze M.: Ich bin seit Mai 2024 abgewiesen. Ich habe das Gefühl, dass wir Iraner*innen in der Schweiz keine Stimme haben. Deshalb bin ich hier. 

Was kann das Flüchtlingsparlament hierzu beitragen? 

Firuze M.: Ich bin zum ersten Mal dabei. Hier gibt es die Möglichkeit, die Schwierigkeiten, die von den Behörden im Zusammenhang mit der Menschenrechtslage im Iran offenbar nicht gesehen werden, aufzuzeigen. Auch nächstes Jahr möchte ich wieder teilnehmen, dann hoffentlich in einer besseren persönlichen Situation. 

Million H.: Ich bin auch hier, damit meine Stimme gehört wird. Ich möchte in der Schweiz endlich sicher sein vor der Repression durch das Regime meines Herkunftslandes. Ich habe mich hier nach Kräften integriert, habe in einer Schweizer Familie gelebt und habe hier eine Lehre absolviert. Trotzdem kann ich keine Aufenthaltsbewilligung erhalten, denn um einen eritreischen Pass zu bekommen, müsste ich die Reueerklärung unterschreiben, die Diasporasteuer zahlen und die Aufenthaltsorte meiner Familienangehörigen innerhalb und ausserhalb Eritreas offenlegen. Wir werden hier gleich von zwei Seiten her unter Druck gesetzt: Die Schweizer Migrationsbehörden zwingen uns, zwecks Passbeschaffung mit dem Konsulat unseres Herkunftslandes Kontakt aufzunehmen. Dieses wiederum unterdrückt uns auch noch hier in der Schweiz. Deshalb möchte ich all jenen meine Stimme leihen, die in derselben Situation sind. Über das Flüchtlingsparlament habe ich die Hoffnung, dass unsere Anliegen endlich auch von der Politik gehört werden. 

Auch nächstes Jahr möchte ich wieder teilnehmen, dann hoffentlich in einer besseren persönlichen Situation.

Firuze M., abgewiesene Asylsuchende aus dem Iran

Firuze, Sie haben sich in der Kommission zur psychischen Gesundheit von Geflüchteten engagiert. Weshalb gerade dort? 

Firuze M.: Die psychische Gesundheit ist die Basis für eine gelingende Integration. Sie ist Voraussetzung dafür, dass jemand die Sprache lernen, arbeiten und auch seine Freizeit gestalten kann. Fehlende psychische Gesundheit führt zu hohen Gesundheitskosten, was wiederum der Allgemeinheit zur Last fällt. 

Million, Ihr Thema ist ja ein sehr Eritreisches, das aber prominent gleich in zwei Kommissionen vertreten war. In welcher Kommission werden Sie 2025 mitarbeiten, vorausgesetzt, das Problem mit der Passbeschaffung kann bis dahin gelöst werden? 

Million H.: In der Kommission zu den Kinderrechten. Das Aufwachsen von Kindern unter psychisch gesundheitsfördernden Bedingungen ist wichtig, damit sie sich später zu funktionierenden Erwachsenen entwickeln können. Nur, wenn sie psychisch gesund sind, können sie lernen und später auch eine Arbeit finden. Ansonsten besteht das Risiko, dass sie sich als Jugendliche radikalisieren oder in die Kriminalität abdriften, was wiederum zu einer Spaltung der Gesellschaft führen wird. 

Ihre Empfehlungen gehen später hinaus an Politiker*innen im Parlament. Was würden Sie Ihnen persönlich noch gerne sagen? 

Firuze M.:  Die Probleme im Iran sind real, sie können nicht geleugnet werden. Mein Mann und ich sind hierhergekommen, um uns und unseren Sohn zu retten. Ich habe hier Deutsch gelernt, und mein Diplom als Physiotherapeutin wurde anerkannt, aber weil wir abgewiesen worden sind, darf ich nicht arbeiten. Ich bitte Sie um eine Zukunft für uns und unseren Sohn.  

Million H.: Die Schweizer Regierung sollte ihre demokratischen Werte ernst nehmen. Sie sollte aufhören, mit diktatorischen Regierungen zusammenzuarbeiten. Stattdessen sollte sie Geflüchtete wirksam vor dem langen Arm des eritreischen Regimes schützen. 

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