«Nur mit dieser Überzeugungsarbeit kommen wir weiter.»

Die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler ist überzeugte Demokratin. Sie findet, dass das Flüchtlingsparlament hierzu einen wichtigen Beitrag leistet.

Interview: Annelies Müller, Redaktorin SFH

Frau Mettler, weshalb nehmen Sie am Flüchtlingsparlament teil? 

Melanie Mettler*: Mir ist Demokratie sehr wichtig. Wir haben in der Schweiz aber eine Demokratie, die etwas zwiespältig ist: Auf der einen Seite dürfen Alle, die das Wahl- und Stimmrecht besitzen, bei der Organisation unserer Gesellschaft mitreden und -gestalten; andererseits aber vergeben wir in der Schweiz dieses Wahl- und Stimmrecht äusserst restriktiv. Geflüchtete gehören derjenigen Bevölkerungsgruppe an, die deshalb keine Möglichkeit hat, sich an der Organisation unserer Gesellschaft zu beteiligen. Das Flüchtlingsparlament aber macht genau das - und ich schätze das sehr. Ich bin dankbar für das Engagement all jener, die in dieses Projekt involviert sind 

Wie steht Ihre Partei grundsätzlich zur Flüchtlingssession? Haben Sie deren Support, oder sind Sie diesbezüglich eher eine Einzelkämpferin? 

Melanie Mettler (lacht): Nein. Ich bin von meiner Partei hierhergeschickt worden, und eine andere Parteikollegin begleitet die Arbeit der Kommissionen. Die Grünliberalen sind immer schon starke Verbündete gewesen, wenn es darum ging, bei der Migrationspolitik zum einen die menschliche Seite zu berücksichtigen, aber andererseits auch die Machbarkeit und die Realitäten klar zu benennen.  

Migration ist auf diesem Planeten Erde ein Fakt, in der Zukunft wird dies nicht besser werden. Wir müssen dazu Lösungen finden, ohne dass man von rechts oder links herumschreit und sich gegenseitig die Schuld zuschiebt. Wir müssen Lösungen finden für die Betroffenen. 

Sie sind im Parlament vor allem in der Gesundheitskommission aktiv. Hier an der Flüchtlingssession gab es zu diesem Bereich gleich zwei Kommissionen, die Vorstösse präsentiert haben, nämlich die Geflüchteten mit Beeinträchtigung und die Kommission zur psychischen Gesundheit. Ich stelle fest, dass wir es hier mit einem ziemlichen Minderheitending zu tun haben. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt, wie gut unsere direkte Demokratie, in der es ja immer darum geht, Mehrheiten zu finden überhaupt geeignet ist, die Rechte von Minderheiten zu schützen? 

Melanie Mettler: Die Demokratie ist ein ziemlich unperfektes System. Es ist immer schwierig, dass sich Minderheitenpositionen darin Gehör verschaffen können. Wir haben einige Wege, wie wir dies garantieren wollen, z. B. das Proporzsystem. Das Proporzsystem gewährleistet, dass auch Minderheiten die Möglichkeit haben, sich einzubringen.  

In der Gesundheitskommission sind beispielsweise gleich mehrere Minderheiten vertreten, die mitwirken können, die dabei aber auch Überzeugungsarbeit leisten müssen. Und das ist genau der Punkt: Es bringt nie etwas, wenn man sich in der Minderheit auf einer Forderung - und sei sie noch so berechtigt - ausruht. Die grosse Aufgabe besteht stets darin, Überzeugungsarbeit bei denen zu leisten, die die Situation noch nicht kennen und deshalb noch nicht überzeugt sind von der Sinnhaftigkeit eines Anliegens. Nur mit dieser Überzeugungsarbeit aber kommen wir weiter. 

Wenn wir zehn Jahre in die Zukunft blicken: Werden einige der heutigen Flüchtlingsparlamentarier*innen dereinst im Bundeshaus sitzen? Ist das Schweizer Parlament bereit für Menschen mit Fluchterfahrung? 

Melanie Mettler: Sobald jemand ein Wahl- und Stimmrecht hat, darf er oder sie auch zu Wahlen antreten. Ich würde mich unheimlich freuen, wenn schon bald die ersten Flüchtlingsparlamentarier*innen zu Wahlen antreten würden! Vielleicht fangen sie erst einmal auf der Gemeindeebene an, aber wer weiss? Nach zehn Jahren sitzen sie dann vielleicht auch im National- oder gar im Ständerat… 

*Melanie Mettler, Nationalrätin GLP 

Unsere Arbeit ist nur dank Ihrer Unterstützung möglich.

Jetzt spenden